Heiligenkalender
15. Dezember
Heilige Christina, Dienstmagd
Der göttliche Heiland Jesus Christus erwählte anfangs zwölf Apostel zur Bekehrung so vieler Städte, Länder und Königreiche. Zur Zeit des Kaisers Konstantin des Großen bediente er sich einer einfachen Dienstmagd, um ein ganzes Königreich zur Annahme des wahren Glaubens zu bringen. Nämlich Christiana, eine christliche Magd, wurde von den Barbaren, welche zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer wohnten und in die benachbarten christlichen Länder manchen Einfall wagten, nebst vielen anderen Christen gefangen genommen, in ihr Land nach Iberien gebracht und als eine Leibeigene oder Sklavin an eine Herrschaft verkauft, welche anfangs sehr hart, unbarmherzig und grausam mit ihr umging, viele und fast unerträgliche Arbeit ihr auferlegte und kaum einige Augenblicke ihr zur Ruhe gestattete. Da man ihren Namen nicht wußte, so wurde sie Christiana (Christin) benannt. Trotz dieser schweren Drangsale unterwarf sich die heilige Christiana doch der göttlichen Zulassung bereitwillig, gehorchte aus Liebe zu Gott ihrer so unbarmherzigen Herrschaft ohne Klagen oder Murren und ertrug alle Beschwernisse mit großer Geduld. Mitten unter den Heiden in einem ganz heidnischen Lande verblieb sie standhaft und eifrig in ihrem Christentum und führte ein wahrhaft christliches Leben. Bei ihrer vielen und schweren Arbeit unterließ sie auch nie das Gebet. Vor allem befliß sie sich einer besonderen Eingezogenheit und englischen Reinigkeit, ungeachtet, daß sie mitten unter dem frechsten und ausgelassensten Gesindel leben musste. Die Heiden bemerkten alles dieses wohl und fragten darüber sehr verwundert Christiana, warum sie nicht lebe wie andere. Sie gab zur Antwort: „Ich bin eine Christin und bin verpflichtet, Christus, dem wahren Gott, auf solche Weise zu dienen.“ Sie benützte diese Gelegenheit, vieles von Christus zu erzählen, wovon jene Barbaren, unter denen sie wohnte, nie etwas gehört hatten.
Nach einiger Zeit erkrankte der kleine Prinz des Königs Bacurius, der das ganze Land beherrschte. Man trug das kranke Kind nach der sonderbaren Sitte des dortigen Volkes von einem Hause zum anderen und fragte, ob jemand ein Mittel wisse, ihm zu helfen. Man kam auch in das Haus, wo Christiana diente, und fragte sie, ob ihr nichts bekannt wäre, was zur Genesung des Prinzen gereichen könnte, Sie antwortete, ihr sei keine hierzu dienliche Arznei bekannt. Dennoch nahm sie aus Eingebung Gottes den kranken Prinzen, legte ihn auf ihr ausgebreitetes, aus Kamelhaaren geflochtenes Bußkleid und rief mit großem Vertrauen Jesus Christus, unseren Herrn und Seligmacher an. Und der Prinz wurde auf der Stelle gesund und an den Hof zurück getragen. Der Ruf von diesem Wunder breitete sich in dem ganzen Reiche aus und erwarb dem christlichen Glauben eine große Hochschätzung. Diese ward durch ein neues Wunder noch vermehrt. Die königliche Mutter des so wunderbar gesund gewordenen Prinzen wurde selbst von einer schweren Krankheit befallen und musste entsetzliche Schmerzen erleiden. Sie schickte ihre Diener zu Christiana mit dem Befehl, zu ihr zu kommen, um auch sie, wie den Prinzen, gesund zu machen. Die demütige Magd entschuldigte sich und kam nicht. Da ließ sich die Königin zu ihr in das Haus tragen und ersuchte sie inständig um die Gesundheit. Christiana antwortete, daß dies nicht in ihrer Macht stände; doch versprach sie, ihren wahren Gott für sie anzurufen. Sie tat es mit großer Zuversicht und die Schmerzen hörten sogleich auf; die Kranke wurde vollkommen gesund. Die Königin bedankte sich auf das freundlichste gegen die Dienerin Christi und versprach ihr große Geschenke. Christiana aber benützte diese Gelegenheit und erklärte ihr, wer der Christus sei, den sie für die Kranke angerufen. Als die Königin gesund wieder am Hofe anlangte und ihrem Gemahl erzählte, was ihr widerfahren sei, schickte dieser der Dienerin Christi eine große Summe Geldes nebst anderen Geschenken. Christiana sendete alles wieder zurück, sprechend: „Sie sei in Christus und durch Christus reich genug und erwarte noch größere Reichtümer von Christus in dem Himmel. Im übrigen könnte ihr keine größere Freude widerfahren, als wenn der König mit der Königin an den Gott glauben wollte, in dessen Namen sowohl der Prinz, als die Königin von ihrer Krankheit befreit wurden.“ Der König zeigte sich nicht ungeneigt, und die Königin trieb ihn dazu an. Allein aus Frucht vor einem Aufruhr bei den Untertanen, welche alle dem Götzendienst ergeben waren, verblieb er in seinem Heidentum so lange, bis ihn Gott auf andere Weise zur Bekehrung bewog.
Als nämlich der König einmal in einem Walde eine Jagd abhielt, fiel während derselben eine solche Finsternis ein, daß der Tag in die finsterste Nacht verwandelt ward. Alle kamen in Furcht und Schrecken und ergriffen die Flucht. Der König wurde allein gelassen. Dieser suchte allenthalben einen Weg, ohne einen solchen zu finden. Die Gefahr, von den wilden Tieren ergriffen zu werden, schreckte ihn noch mehr. In diesen so fürchterlichen Umständen rief er mit lauter Stimme zu seinen Göttern um Hilfe. Er nannte einen nach dem anderen und bat sie um Errettung aus gegenwärtiger Gefahr. Allein alles Rufen war vergebens. Da er sich nun von seinen Göttern verlassen sah, rief er um Hilfe zu dem Gott der Christen mit dem Versprechen, ihn als den wahren Gott erkennen und anbeten zu wollen, wenn er ihn aus dieser großen Gefahr erretten würde. Kaum hatte der König sein Versprechen gemacht, da verschwand augenblicklich der düstere Nebel, die Finsternis entwich, der Himmel heiterte sich auf, und das Wetter wurde schöner und angenehmer als zuvor. Der König kam bald auf den rechten Weg, eilte an seinen Hof zurück, erzählte den ganzen Verlauf seiner Gemahlin, ließ die christliche Dienstmagd zu sich kommen, entdeckte ihr den gefaßten Entschluss und das gemachte Versprechen und verlangte von ihr die Erklärung des christlichen Glaubens. Christiana, voll Freude, machte gleich den Anfang, die Geheimnisse des christlichen Glaubens zu erklären, und begehrte, der König solle katholische Priester kommen und eine Kirche zur Ehre des wahren Gottes der Christen erbauen lassen.
Der König zeigte ein großes Wohlgefallen an der christlichen Lehre; er berief anfangs die Vornehmen, dann das Volk zusammen, erzählte ihnen, was sich mit seinem Prinzen, seiner Gemahlin und mit seiner eigenen Person zugetragen, und offenbarte seinen festen Entschluss, die christliche Religion anzunehmen. Alle bezeigten über diesen Entschluss ihre Zufriedenheit und versprachen, dem König nachzufolgen. Der Kirchenbau wurde angefangen und eifrig fortgesetzt. Ein neues, dabei geschehenes Wunder befestigte alle in dem gemachten Entschluss. Man hatte bereits zwei hohe Säulen in der Kirche aufgerichtet; mit der dritten aber ging es nicht von statten. Man wendete alle Mühe an, aber vergebens. Es wurde Nacht, und die Arbeiter begaben sich nach Hause. Die fromme Christiana allein blieb daselbst und bat Gott inständigst, er wolle zur Bestätigung dessen, was er schon gewirkt, seine Gnade ferner geben, besonders bei dem Bau der Kirche, der ja zu Seiner Ehre unternommen worden sei. Gott erhörte das Gebet seiner Dienerin. Bei Tagesanbruch sah man mit Erstaunen, daß die dritte Säule ordentlich aufgerichtet da stand, ohne daß ein Mensch eine Hand dazu angelegt hatte. Hierüber entstand eine neue allgemeine Freude, und alle verlangten die heilige Taufe. Und nun ließ der König den Kaiser Konstantin den Großen um Sendung einiger Priester bitten. Konstantin erfreute sich und sandte apostolische Männer, welche den König und dessen Untertanen in der christlichen Lehre vollständig unterrichteten und ihnen die heilige Taufe erteilten. Auf diese Weise wurde das ganze Land durch die Mitwirkung einer einzigen frommen Dienstmagd zu Christus bekehrt. Gewiß wird sie dann nicht mehr als Sklavin angesehen worden sein. Wie lange Christiana nach gelebt, ist unbekannt. Gewiß ist es, daß sie ihr gottesfürchtiges Leben mit einem heiligen Ende beschloß, etwa um 350. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 1003 – S. 1006