Schreiben Pius IX an Kardinal Manning

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Ein Porträt von Papst Pius Ix in seiner päpstlichen Kleidung, auf einem Stuhl der damaligen Zeit sitzend, links von ihm auf den Tischchen steht ein hübsches Kruzifix

Schreiben des heiligen Vaters Pius IX. an den Erzbischof Manning von Westminster

Pius P. P. IX.
An unsern ehrwürdigen Bruder Heinrich Eduard, Erzbischof von Westminster

Ehrwürdiger Bruder! Gruß und apostolischen Segen. Wir haben aus den Zeitungen ersehen, daß Dr. Cumming aus Schottland bei Dir angefragt hat, ob denjenigen, welche von der katholischen Kirche getrennt sind, die Erlaubnis werde erteilt werden, auf dem bevorstehenden Concilium die Beweisgründe für ihre eigenen Meinungen darzulegen; und ebenso haben Wir ersehen, daß derselbe auf Deine Antwort, daß hierüber der heilige Stuhl zu entscheiden habe, an Uns in dieser Sache geschrieben hat.

Nun, wenn der Anfragende weiß, welches der katholische Glaube hinsichtlich der von unserem göttlichen Erlöser Seiner Kirche verliehenen Lehrgewalt und folglich auch hinsichtlich ihrer Unfehlbarkeit in der Entscheidung von Fragen des Dogmas und der Moral ist, so muss er auch wissen, daß die Kirche Irrtümer, über die bereits reiflich beraten, entschieden und abgeurteilt ist, nicht abermals zur Erörterung zulassen kann. Das ist es auch, was Wir in Unserem Schreiben (siehe das Apostolische Schreiben an alle Protestanten und andere Akatholiken vom 13. September 1868) bereits bekannt gemacht haben; denn wenn Wir sagten, „es könne weder geleugnet noch bezweifelt werden, daß Christus Jesus selbst, um die Früchte seiner Erlösung allen menschlichen Geschlechtern zuzuwenden, diese seine einzige Kirche hier auf Erden auf Petrus erbaut habe, nämlich die Eine, heilige, katholische, apostolische Kirche, und daß er ihr alle nötige Gewalt übertragen habe, damit das Vermächtnis des Glaubens ganz und unverletzt bewahrt und dieser selbe Glaube allen Völkern, Stämmen und Nationen überliefert würde“, so deuteten Wir damit an, daß der Primat – der Ehre wie der Jurisdiktion – welcher dem Petrus und seinen Nachfolgern verliehen worden, über die Zufälle der Erörterung erhaben ist.

Dies ist in der Tat der Angelpunkt, um welchen die ganze Frage zwischen den Katholiken und Andersgläubigen sich dreht, und aus diesem Zwiespalt fließen wie aus einer Quelle alle Irrtümer der Nichtkatholiken. Denn da solche Gesellschaften jener lebendigen und von Gott gegründeten Autorität entbehren, welche die Menschen vornehmlich die Dinge des Glaubens und die Zucht der Sitten lehrt und sie in Allem, was auf das ewige Heil Bezug hat, leitet und lenkt, so haben dieselben in ihren Lehren unablässig gewechselt, und es hört diese Beweglichkeit und Unbeständigkeit bei diesen Gesellschaften niemals auf. Wenn sonach der Anfragende, entweder die Anschauung der Kirche in Betreff ihrer eigenen Unfehlbarkeit bei Beurteilung und Bestimmung über Alles, was zum Glauben und zur Sittenlehre gehört, oder was Wir selbst hinsichtlich des Primates und der Lehrgewalt Petri geschrieben haben, erwägen will, so wird er sofort einsehen, daß beim Konzil zur Verteidigung bereits verdammter Irrtümer kein Raum gegeben werden kann; und daß Wir die Akatholiken nicht zu einer Erörterung einladen konnten, sondern nur in sie drangen, „die durch dieses Konzil gebotene Gelegenheit – als in welchem die katholische Kirche, der ihre Vorfahren angehörten, einen neuen Beweis ihrer innigen Einheit und ihrer unüberwindlichen Lebenskraft gibt – zu benützen und, gemäß dem Bedürfnis ihres Herzens, aus jenem Zustand sich loszureißen, in welchem sie über ihr eigenes Heil nicht sicher sein können.“

Wenn dieselben durch die Eingebung der göttlichen Gnade ihre Gefahr einsehen und mit ganzem Herzen Gott suchen, so werden sie leicht alle vorgefaßten und entgegen gesetzten Meinungen von sich werfen und alles Verlangen nach Streitreden bei Seite legend zu dem Vater zurück kehren, von dem sie sich unglücklicher Weise lange verirrt haben. Wir Unsererseits werden ihnen freudig entgegen eilen und sie mit väterlicher Liebe umarmen. Wir werden frohlocken, daß Unsere Kinder, die tot waren, wieder zum Leben zurück gekehrt, und daß die, welche verloren waren, gefunden sind. Darum fürwahr bitten Wir inbrünstig zu Gott, und Du, ehrwürdiger Bruder, wirst Dein Gebet mit dem Unsrigen vereinigen.

Inzwischen erteilen wir als Zeichen der göttlichen Gnade und Unseres eigenen besonderen Wohlwollens in der größten Liebe Dir und Deiner Diözese Unsern apostolischen Segen.

Gegeben bei St. Peter in Rom, am 4. September 1869, im 24. Jahre Unseres Pontifikates.

Papst Pius IX.

aus: Matthias Joseph Scheeben: Das ökumenische Concil vom Jahre 1869, Erster Band, 1870, S. 141 – S. 142

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