Die Bulle von Leo VIII. zur Engelweihe in Einsiedeln
Es mag dich interessieren, ob das Oberhaupt der ganzen katholischen Kirche, der Papst in Rom, von diesem außerordentlichen Wunder der göttlichen Einweihung der Muttergottes-Kapelle in Einsiedeln auch Kenntnis erhalten und seine Ansicht darüber in amtlicher Weise ausgesprochen habe. Dies ist wirklich der Fall, und die Bulle, welche Papst Leo VIII. am 3. November 964 ausfertigte, ist ein authentisches Aktenstück über die wunderbare Begebenheit. Dem Inhalt dieser Bulle zufolge begleitete der hl. Konrad, Bischof von Konstanz, mit vielen geistlichen und weltlichen Fürsten den Kaiser Otto I. Auf dessen Zug nach Italien und erstattete dem Papst in Gegenwart des Kaisers, der Kaiserin Adelheid und vieler adeliger Würdenträger genauen Bericht über die göttliche Einweihung der Maria-Kapelle, zu Einsiedeln, wie sie oben angedeutet worden. Daran knüpfte er die Frage, ob er oder irgend ein anderer Bischof dennoch diese Kapelle weihen dürfe.
Der Papst legte diesen Bericht und die daran geknüpfte Frage mehreren Prälaten zur Prüfung vor. Unter diesen werden aufgezählt: Der Erzbischof Hatto von Mainz, der Erzbischof Bruno von Köln, der Bischof Anno von Worms, der Bischof Othwin von Hildesheim, der Bischof Okko von Mirmidon, der Bischof Ulrich von Augsburg, der Bischof Hartbert von Chur, der Abt Eggehard von Reichenau und der Abt Burkard von St. Gallen. Das Ergebnis dieser Prüfung sprach der Papst also aus:
„Gestützt auf die Zeugnisse dieser Prälaten bestätigen Wir, daß die Einweihung der genannten Kapelle eine wirklich vollzogene sei und verbieten durch die Autorität der Apostelfürsten Petrus und Paulus, der aufgezählten Prälaten und Unserer eigenen Person unter Androhung des Bannes, daß weder der gegenwärtige Bischof von Konstanz, noch einer seiner Nachfolger eine Einweihung derselben vornehme. Auch erteilen Wir im Vertrauen auf die Gnade des allmächtigen und in Vollmacht der Apostel Petrus und Paulus, der heiligen Mutter, der Kirche und des apostolischen Stuhles einen vollkommenen Ablaß Allen, welche diesen genannten Ort andächtig besuchen und eine reumütige Beichte ablegen.“
Diese Bulle wurde in den folgenden Jahrhunderten von elf Päpsten gut geheißen und bestätigt, von Martin V. im Jahre 1429 bis auf Pius VI. im Jahre 1793. Dieser schrieb in seinem Breve vom 17.Mai:
„Die Pflicht des Hirtenamtes, kraft dessen Wir aus göttlicher Anordnung die katholische Kirche regieren, erfordert es, daß Wir zu demjenigen, was von den römischen Päpsten, unsern Vorgängern, zur Vermehrung des Dienstes Gottes und zur Beförderung der Verehrung der Heiligen, insbesondere aber der allerseligsten Jungfrau Maria, wohl und vernünftig zugestanden worden ist, auch die Kraft und Festigkeit Unserer Bestätigung, so oft sie von Uns verlangt wird und Wir es im Herrn für nützlich erachten, beitragen sollen, damit solche Privilegien durch die lange Dauer und die schlimmen Umstände der Zeiten nicht in Vergessenheit kommen… Wir bestätigen und bekräftigen aus apostolischer Vollmacht alle Ablässe, Begünstigungen, Gnaden und Bewilligungen, wie auch alle Bullen unserer Vorgänger Leo`s VIII. … und legen denselben hiermit die Kraft einer immer währenden und unverletzlichen Gültigkeit bei.“
Nächst der Bestätigung durch die Päpste ist die Geschichte der Gnadenkapelle selbst das untrüglichste Zeugnis ihrer Einweihung durch Jesus Christus. Denn die Abwehr der Stürme, welche während mehr als tausend Jahre gegen dieses Heiligtum getobt haben, und der Strom der Gnaden, welche während dieser Zeit von diesem Heiligtum nach allen Seiten geflossen sind, deuten auf eine Ursache hin, welche nur Gott selbst sein kann. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 602 – S. 603