Kaiser Ferdinand II. in Not und Gefahr

Der Kaiser Ferdinand II. (*) in Not und Gefahr

Es war im Jahre 1619, den 5. Juni, da hing`s über der alten Kaiserstadt Wien wie eine schwere, furchtbare Wetterwolke. Aufgeregt standen da und dort Gruppen von Leuten, welche ängstlich zusammen sprachen und gestikulierten; andere schlichen umher mit gierigen, siegesgewissen Blicken und mit dem Ausdruck stiller Befriedigung in den hämischen Mienen; durch die Straßen zogen Soldaten-Abteilungen und Geschütze, feldmäßig ausgerüstet, und gar auf den Wällen der Stadt und in den Bastionen ging`s drunter und drüber.

Leider stand`s dort nicht am besten. Vieles war vernachlässigt und schlecht erhalten, viele wollten befehlen, wenige gehorchen. Auch in den Häusern der Stadt, das konnte man außen sehen, herrschte ungewöhnliche Bewegung. Man packte zusammen, was man konnte, besonders die wertvollen Habseligkeiten, und in manchem verborgenen Winkel, Keller und Hof wurden Kleinodien versteckt.

Wien, die Stadt des Kaisers, war belagert, eingeschlossen.

Von wem? Etwa von den Türken, den Ungläubigen und Kirchenfeinden? Oder von den Russen oder Franzosen?
Keineswegs, sondern von Deutschen, von Österreichern selbst, von den nächsten Untertanen des Kaisers: von seinen „evangelischen“ Untertanen aus Böhmen und Oberösterreich. Und was wollten diese Leute von der Reichshauptstadt? Wem galt ihr Feldzug?

Dem künftigen katholischen Kaiser des Reiches, dem von ihnen gehaßten und von ihren Predigern auf allen Kanzeln verfluchten, mit Nero und sonstigen Christenverfolgern verglichenen Kaiser Ferdinand II.
Tausende von Aufrührern lagerten draußen rings um die Stadt vor allen Toren im weiten Bogen, Zelt an Zelt, Fußvolk, Reiter und Geschütze; lauter Rebellen, die es mit ihrem Gewissen vereinigen zu können glaubten, dem eigenen Oberhaupt den gehorsam zu versagen und ihn mit Waffengewalt zu bedrohen. Ihr Führer war Graf Thurn, welcher schon bisher in Böhmen den Aufstand geleitet hatte. –
Hinten im Stephansdom, im Halbdunkel, saßen mehrere Personen zusammen, nichts weniger als ehrerbietig; sie waren offenbar nicht zum Beten hergekommen.

Die protestantischen Aufrührer unterhalten sich

„Heute ist der Tag, da Gott uns den Feind des Evangeliums in die Hand gibt“, sprach einer halblaut; „der Ring um Wien ist geschlossen, keine Maus kann hinaus; unser glorreicher Sieger und Führer Graf Thurn hat alles in seiner Hand, ein zweiter Gideon. In einigen Stunden geht eine Deputation zum Ferdinand, bestehend aus festen evangelischen Männern, und sie sind entschlossen, nicht zu weichen, bis er abgeht von seinem starren, einfältigen katholischen Sinne. Unterdessen aber müssen wir Evangelische Wiens eine große Aufgabe erfüllen. Und dazu habe ich euch hierher, als an den ungefährlichsten Ort, geladen. Doch es fehlen noch mehrere; warten wir ab!“
Ein anderer fing jetzt an: „Der Ferdinand – damit war der Kaiser gemeint – wird alle Tage einfältiger und bigotter. Denkt euch: er braucht alle Morgen zwei Stunden zum Beten und für die götzendienerische papistische Messe, er betet täglich einmal alle Heiligen an – gemeint war die Allerheiligen-Litanei -, und er rechnet alle Abend eine halbe Stunde lang seine Sünden zusammen.“
„Das ist kein Wunder“, sagte ein dritter, „er ist ja in Ingolstadt fünf Jahre bei den Jesuiten geschult worden, die haben ihn so gemacht. Sie haben ihn auch nach Rom und Loreto geschickt, wo er auf den Knien schwören musste, alle Protestanten auszurotten, Männer, Weiber, Greise und Kinder!“
„Das ist ärger als bei den Türken!“ flüsterte der vierte, und der erste fuhr fort: „Und alle Tage geht er zum Abendmahl, wo es doch bloß an Ostern sein darf!“
„Aber was einem gut evangelischen Gemüt am meisten zuwider ist und uns beunruhigt, das ist seine Anbetung der Maria“, hetzte wieder einer weiter; „da findet er gar kein Ende mit Beten und Kerzenschenken und Kirchengehen, wenn so ein katholisches Fest der Maria ist. Alle Stunden bete er sie einmal an, sagt man am Hof!“
„Und ihr zu Ehren geißelt er sich – die Diener haben die blutige Geißel gesehen – und schaut kein Mädchen und keine Frau an und empfängt keine allein in Audienz; er sei keuscher als Joseph, sagt man“, spöttelte ein anderer, und die übrigen lachten halblaut zusammen über diesen Witz.
„Ja, wenn`s auf die Werkheiligkeit ankommt bei dem dürren Ferdinand, dann ist er der nächste nach dem Erzengel Michael. Schulden macht er über Schulden für Arme und Stiftungen und Klöster und derlei papistisches Zeug, und tut gar herablassend mit den armen Leuten – eitel Heuchelei und Pharisäismus! Heucheln kann er wie einer. Hat nicht alle evangelische Welt gemeint, er heirate die Base des Königs von Sachsen, eine gut evangelische Prinzessin, und er hat nicht daran gedacht, sie zu nehmen, und sich bloß aufs Höflichsein beschränkt? Ist das nicht Betrug und Verstellung im höchsten Grad? Kann man vor solch einem Kaiser noch Respekt haben? Darf man ihm da noch gehorchen?“

Draußen wirbelten die Trommeln, Soldaten zogen an dem Dom vorbei; nun kamen auch noch die übrigen, welche herbestellt waren. Nach kurzer Beratung schlichen sie alle zusammen fort, der eine zu dieser, der andere zu jener Tür hinaus.

Ein katholischer Student hört mit

Bald darauf finden wir sie wieder in einem kleinen verborgenen Saal zusammen, nahe bei der Hofburg.
Sie hatten aber nicht beachtet, daß jemand ihnen nachging. Es war ein Student, der hatte an einer andern Ecke des Domes im Gebet geweilt; plötzlich hatte er flüstern hören – ein Echo, wie das in älteren Gebäuden durch geschickt einander gegenüber gestellten Ecken und Wölbungen öfter vorkommt, hatte ihm einen Teil dessen zugetragen, was man drüben flüsterte.
So folgte er ihnen und sah sie eintreten in ihren Versammlungsort; dann eilte er hastig von dannen. „Ihr habt die Mutter Gottes nicht umsonst geschmäht und den Ferdinand gehöhnt“, murmelte er; „es war kein Zufall, daß ich gerade zu dieser Zeit vor ihrem Altar einen Rosenkranz betete; sie berief mich hierher als ihr Werkzeug, und so wahr mein Schild rein und mein Blut edel ist, und so wahr ich katholisch sterben will: so gewiß will ich euch Abtrünnigen und Verschwörern zeigen, daß noch Männer in Wien sind, treue Männer, welche wissen, was sie dem Kaiser schulden!“ und mit aller Kraft umfaßte seine Rechte den langen Stoßdegen.

Die Verschwörer debattieren ihren kühnen Plan

Die Verschwörer verhandelten eifrig in ihrem Versteck; aber sie wurden nicht ganz einig.
„Ich begreife den Grafen Thurn nicht“, sagte einer, ein alter Mann; „die Stadt ist doch fast ohne Besatzung, die Bürgerschaft scheu und feig, die Katholiken sind verzagt und entmutigt, die Räte haben den Kopf verloren, Ferdinand selbst in der Burg eingeschlossen, man braucht nur die Falle zu schließen, dann hat man ihn. Graf Thurn hätte längst schon das nächste Tor einrennen sollen, kein Spieß hätte es ihm gewehrt; er braucht nur einzumarschieren und in die Burg zu kommen. Dann ist Ferdinand gefangen, unser Todfeind, unser Verfolger, und dann kann mit ihm geschehen, was längst unter den evangelischen Fürsten und Herren geplant ist.“
„Und was wäre das?“ fragte ein anderer.
„Ich kann`s hier schon verraten, da es ohnehin vielleicht morgen schon eintrifft: Ferdinand muss in ein Kloster gehen, dort mag er Maria und seine Heiligen anbeten und sich kasteien, wie er will, und seine Kinder -“
„Was soll`s mit denen?“ sagten mehrere neugierig.
„Die werden evangelisch erzogen; dann bekommen wir ein protestantisches Kaisertum ins Land, und der Sieg ist unser!“
Eine tiefe Stille entstand. Das war ein kühner Plan.
„Aber jetzt muss Thurn erfahren, daß er sofort einbrechen soll in die Stadt. Wien ist in einer Stunde sein, und wenn je die Katholischen sich rühren sollten, so werden wir Evangelischen zusammen stehen. Es ist geplant, daß wir uns an dem Haupttor sammeln, es öffnen und im Verein mit dem Grafen Thurn Wien der evangelischen Sache ausliefern.“

Eine noch größere Pause entstand.

„Da tue aber ich nicht mit“, sprach jetzt entschieden und ernst ein älterer Mann. „Meine evangelische Freiheit in Ehren – aber zum Verräter der eigenen Kaiserstadt und des Kaisers werden kann und will ich nicht.“
Und auch einige andere trugen ihre Bedenken vor; zu solchem Verrat wollten sie isch doch nicht hergeben.
„Dann möget ihr weg bleiben“, war die Entscheidung, „aber wir tun auch, was unser evangelisches Gewissen uns gebietet, was unsere Not erheischt.“
„Ferdinand läßt uns ja unseres Glaubens leben“, wendete einer ein. Aber er fand kein Gehör bei dem Haupthetzer: „Folgt mir, sammelt euch, benachrichtigt still und rasch die Evangelischen, daß sie bereit sind, und teilt dann die Parole aus, wenn`s gilt. Die Parole soll heißen“ –

Bewaffnete katholische Studenten überrumpeln die Verschwörer

„Maria auxilium christianorum!“ donnerte in diesem Augenblick ein Ruf durch das Gemach; die Tür flog auf, unter derselben stand unser Student, die Korpsfahne in der einen, den gezückten Degen in der andern Hand, am blauen Band die Medaille mit der Mutter Gottes darauf – und hinter ihm Kopf an Kopf bewaffnete Studenten. „Vaterlands-Verräter, Kaiserfeinde, die ihr seid, nieder mit euch!“ hallte es wider durch den Saal; „ihr seid gefangen, und wer sich muckst, springt über die Klinge!“
„Ich protestiere gegen diese freche Religions-Störung!“ polterte einer der Verschwörer darein; „ich, Friedrich Prans, Stadtrat!“
„Und ich, Hans Rudolf Graf von Graz, Studiosus der Rechte, sage euch: Kein Wort mehr, und Ruhe gehalten, ihr Verräter! Ich nehme alle Folgen auf mich, und mit mir dreitausend akademische Bürger der Universität Wien. Draußen stehen sie rings um eure Räuberhöhle; hört ihr sie?“
Und brausend klang draußen in tausend stimmigem Chor: „Burschen heraus, – laßt es erklingen von haus zu Haus!“
Totenbleich schwiegen die ertappten Verschwörer. Das Haus wurde von den Studenten rings besetzt, daß keiner von den Gefangenen entrinnen konnte. Dann zog die Masse der Studenten durch die Stadt, um den katholischen Bürgern Mut zu machen und die Tore zu besetzen. Immer mehr Streiter sammelten sich um sie, und nach einigen Stunden standen 5000 Männer unter den Waffen, die Soldaten nicht eingerechnet. Diejenigen Protestanten, welche die Stadt dem Feind hatten öffnen wollen, mussten froh sein, wegen ihres Verrates nicht einfach nach dem Kriegsrecht am Leben gestraft zu werden.
Jetzt war fast keine Gefahr mehr; der übermütige Feind draußen hatte die Zeit verpaßt, da er Wien ohne Schwertstreich hätte nehmen können – wen Gott verderben will, den verblendet er. Warum der sonst so tüchtige und schlagfertige Graf Thurn das nicht tat, was aller erwartete, warum er grundlos zögerte und dann alles verlor, das weiß Gott allein, welcher schon oft genug seine Gesalbten und Gekrönten wunderbar erhalten und geschützt hat.

Was sich in der kaiserlichen Hofburg Ferdinand`s abspielt

In der kaiserlichen Hofburg selbst spielte sich unterdessen ein Drama ab, welches zu den bewegtesten gehört, die wohl je bis dahin in der Geschichte der deutschen Kaiser verzeichnet waren.
Eine große Deputation von protestantischen Herren, Adeligen aus Niederösterreich, war gekommen und hatte Audienz bei König Ferdinand verlangt. Derselbe, verlassen von allen – er kannte die Schwäche und gänzliche Unhaltbarkeit Wiens gegenüber einem feindlichen Angriff und wußte noch nichts von dem mutwollen Eintreten der Studenten -, sah sich allein, ferne jeder menschlichen Hilfe; nur Gott, nur ein Wunder konnte da noch helfen. Er wußte, daß die fanatischen Gegner sogar entschlossen waren, ihn gefangen zu nehmen, wenn er ihnen nicht nachgebe. In solchen Augenblicken lernt der Christ, auch der fromme, erst recht beten. Ferdinand II. warf sich nieder vor ein Kruzifix, legte sich und seine Zukunft in Gottes Hände und bat Maria, die Mutter Gottes, um ihre mächtige Hilfe. So fand ihn der Diener, welcher die Deputation anmeldete. Ferdinand ließ sie erscheinen und hörte nun ihre Forderungen an. Es waren aber mehr Drohungen als Forderungen. Im ganzen handelte es sich um nicht geringeres als darum: die protestantischen Niederösterreicher verbinden sich mit den aufrührerischen Böhmen wider den Kaiser, und derselbe solle selbst dazu seine Einwilligung geben! Das hieß so viel als die Revolution im eigenen Land gutheißen. Ähnliches zwangen die französischen Empörer 180 Jahre später dem König Ludwig XVI. Von Frankreich ab. Wenn aber der künftige Kaiser, so deutete ihm die Gesellschaft an, die ganze Gefahr der Empörung von zwei Provinzen vermeiden und vollen Frieden haben wolle, dann dürfe er nur ein Wort sprechen: nämlich, daß er Österreich dem Protestantismus überliefere.
„Lieber sterben als der Kirche nur ein Handbreit Schaden zufügen!“ erklärte Ferdinand, der das Ärgste vor Augen sah, und verweigerte entschieden die Unterschrift zu dem verhängnisvollen Aktenstück.
Immer heftiger, drängender wurde die Sprache der Protestanten; längst schon war die Grenze überschritten zwischen Untertan und Herrscher, leidenschaftlich flammten die Blicke, zornig waren die Mienen, finster und drohend wurde die Haltung der Empörer. Ferdinand hatte eine volle Stunde mit ihnen gesprochen, bald in Gutem und zur Versöhnung mahnend, bald im Ernst; unter keinen Umständen aber, erklärte er, würde er unterzeichnen.
Die Deputierten standen dicht um ihn, das Pergament vorhaltend; jetzt erkühnte sich einer, Graf Thonradl, den Kaisererben bei den Knöpfen des Wamses zu fassen und ihm zuzurufen: „Unterschreib, Ferdinand!“
König Ferdinand trat hoheitsvoll zurück. „Das Maß ist voll“, sprach er.
Mit unaussprechlichem Ausdruck richtete Ferdinand sein Angesicht, seinen Blick nach oben. Jetzt musste Gott helfen: er hatte seine Pflicht getan bis zur letzten Grenze.

Und die Hilfe kam.

Drunten vor der Kaiserburg begann`s plötzlich lebendig zu werden. Von der Ferne her klangen scharfe Trompetenstöße; jetzt hörte man dumpfes Dröhnen, das rasch stärker und stärker wurde; schon wälzte sich`s herein in den großen Burghof, vor das Tor der Kaiserresidenz; mit eherner Wucht, donnernd, daß der Boden zitterte und die hohen Bogenfenster klirrten, sprengte es im sausenden Galopp herein und füllte den Hof; jetzt schmetterte jauchzend die Reitermusik ihre Kaiserfanfare herauf, daß es an allen Ecken des Hofes widerhallte. „Hoch König Ferdinand!“ brauste es empor – – und totenstill war`s oben im Audienzsaal geworden, wo vorher die Empörung so dreist und so frech gesprochen hatte.
Ferdinand trat ans Fenster. Im Burghof drunten stand ehern, blitzend im schweren Waffenkleid, sein Kürassier-Regiment; der Oberst Saint-Hilaire an der Spitze salutierte, die Fahne senkte sich, die blitzenden schweren Pallasche flogen aus den Scheiden der Reiter, und abermals donnerte das „Hoch König Ferdinand!“ herauf zum Herrscher Österreichs, zum Oberhaupt der deutschen Nation.
Ferdinand hatte Hilfe erhalten, Hilfe von der Vorsehung. Sein schweres Reiterregiment, das er in Krems liegen hatte, war – niemand wußte, auf wessen Befehl – in einem Ritt nach Wien gekommen, dort ungehindert eingezogen, geradewegs zur Hofburg galoppiert und hatte sich dort Ferdinand zur Verfügung gestellt, um ihn aus der schwersten und demütigendsten Stunde seines Lebens zu erlösen.
Mit einem Blick hatte der Herrscher die völlig veränderte Lage überschaut. Ein kurzes, aber heißes Dankgebet entrang sich seinem Innern, dann begrüßte er huldvoll winkend sein Regiment und dessen Obersten.
Wie er sich aber nun zu der Deputation wenden wollte, waren nur noch wenige Mitglieder von ihr zu sehen. Still hatten sich die meisten hinaus geschlichen; die andern baten mit verstörten Blicken und gesenkten Häuptern um die Erlaubnis, abgehen zu dürfen. Ferdinand winkte schweigend – sie verschwanden lautlos nach den zeremoniellen Verbeugungen, die Ferdinand kaum mehr sah; sein Herz war zu voll des Dankes gegen Gott über diese Wendung.

Die Rebellen ziehen ab

Drunten zogen die Deputierten vorsichtig und stumm, den Zorn über die furchtbare Niederlage im bleichen Gesicht tragend, über den Hof zum Tor hinaus, mißtrauisch beobachtet von den Reitern, die am liebsten zugegriffen hätten.

Der Kommandeur Saint-Hilaire wurde sofort zum König befohlen, der ihm beide Hände entgegen streckte und tief bewegt sprach: „Dank, herzlichen Dank, mein Lieber, für Ihr Erscheinen: Sie hat Gott gesandt!“ Der Oberst erhielt sofort eine hohe Auszeichnung, dem Regiment aber gab der Kaiser das ehrenvolle Privilegium, daß es einzig unter allen Regimentern der ganzen Armee jederzeit bei Tag oder Nacht unangemeldet mit klingendem Spiel in die Hofburg einreiten dürfe, ein Vorrecht, welches bis heute noch für das Regiment besteht.

Das geschah am 11. Juni 1619.

Wenige Tage darauf zog das protestantisch-böhmisch-tschechische Belagerungs-Heer von Wien in aller stille ab, und die Kaiserstadt war wieder frei, ohne Schwertstreich. Und wieder einige Tage später wurden die Rebellen bei Zablot in Böhmen gründlich geschlagen. König Ferdinand wurde einstimmig zum deutschen Kaiser gewählt und erneuerte dabei die Freundschaft mit dem energischen Kurfürsten Max I. von Bayern, mit welchem er in Ingolstadt zusammen studiert hatte. Später wurde das aufständische Heer zum zweiten Mal bei Budweis aufs Haupt geschlagen, und im folgenden Winter fand die berühmte Schlacht am Weißen Berg statt, welche den protestantischen „Winter- oder Schneekönig“ weg fegte. Und von der Teynkirche in Prag, auf welcher vordem der husitische Kelch aufgepflanzt war, schaute jetzt wieder das hehre Bild der seligsten Jungfrau auf die befreite böhmische Hauptstadt herab. Ferdinand II. aber hat zum Segen Österreichs und Deutschlands nach diesem gefahrvollen Amtsantritt noch 18 Jahre regiert; im Jahre 1637 ist er nach einem musterhaften Leben im 60. Lebensjahr gestorben, nachdem er den Untergang seiner zwei Hauptgegner, des Schwedenkönigs Gustav Adolf und des hoch verräterischen Feldherrn Wallenstein, noch erlebt hatte.

(*) Ferdinand II. war allerdings im Juni 1619 noch nicht zum Kaiser gekrönt, aber er war seit dem Tode des Kaisers Matthias dessen Thronfolger, hatte die Regierung der Erbländer bereits angetreten, war König von Böhmen und Ungarn und wurde zwei Monate nach der erzählten Begebenheit auch formell zum deutschen Kaiser einstimmig erwählt. Zweifellos würden seine Gegner nicht in der erzählten Weise ihn bedrängt haben, wenn sie in ihn nicht den künftigen Kaiser gefürchtet hätten, welcher kraftvoll und mild zugleich regiert hat. Ihr Angriff war ein angriff auf das katholische Kaisertum im damaligen Deutschen Reich. Mit Rücksicht hierauf hat Verf. Ferdinand II. in Abwechslung mit dem Königstitel auch „Kaiser“ genannt bzw. nennen lassen. –
aus: Konrad Kümmel, An Gottes Hand, Viertes Bändchen: Osterbilder, 1912, S. 115 – S. 125

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