Die Mission ein Licht der Heiden

Zwei afrikanische Kinder, ein Junge und ein Mädchen, bitten um christliche katholische Missionierung, um dem Götzendienst zu entfliehen

Die Mission – ein Licht der Heiden

Predigt zum Sonntag Quinquagesima

„Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ (Lk. 18, 38)

Jesus Christus ist das Licht der Welt

Andächtige Christen! Der göttliche Heiland hat seinen letzten Gang nach Jerusalem angetreten. Er weiß es, zum letzten Mal wird er zur Sionsstadt hinauf ziehen, zum letzten Mal wird er mit seinen Jüngern das Osterlamm essen – und dann? Und dann, andächtige Christen, „wird alles in Erfüllung gehen, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben worden ist“. Dann „wird er den Heiden überliefert, verspottet, gegeißelt und angespien werden, und nachdem sie ihn gegeißelt haben, werden sie ihn töten“. Er wird seinen Kreuzweg gehen, aber auch den Weg zu seiner Verherrlichung. „Am dritten Tag wird er als Weltheiland die dunkle Grabespforte durchbrechen und der befreiten Menschheit ein unsterbliches Leben bringen. Am dritten Tag wird er mit dem Glanz unvergänglicher Herrlichkeit die Grabesnacht erleuchten und der wieder geborenen Menschheit als Licht der Welt sich offenbaren. Jesus Christus ist das Licht der Welt. Auf dieser letzten Reise nach Jerusalem geschah es, daß, als er sich Jericho näherte, ein Blinder am Wege saß und bettelte. Dieser hörte das Volk vorüber ziehen und fragte, was es wäre. Sie sagten ihm, daß Jesus von Nazareth vorbei komme. Da rief er und sprach: „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Der Festjubel der vorüber ziehenden Volksscharen dringt an sein Ohr und läßt ihn die ganze Größe seines Unglücks empfinden. Jene dort mit den hellen, fröhlichen Stimmen können leichten und sicheren Schrittes, mit leuchtenden Augen dem heiß ersehnten Ziel, der heiligen Gottesstadt, zustreben. Aber blinde sein und so abseits des Weges sitzen und betteln müssen, blind sein und niemals die weißen Tempelzinnen schauen dürfen, o welch ein Unglück! Es packt ihn heute mit doppelter Gewalt. Er ruft nach Erlösung, er ruft nach Licht. Man sagt ihm, er solle schweigen. Aber seine Not kennt keine Rücksicht. „Er schrie“, so sagt unser Evangelium, „noch viel mehr: Sohn Davids, erbarme dich meiner!“

Die Heidenwelt ist der Blinde am Weg unserer Zeit

Andächtige Christen! Bei dem Schauen und Erwägen von des Blinden Not werden meine Gedanken hingelenkt auf die Heidenwelt, die nach den Worten der Heiligen Schrift „in der Finsternis und im Todesschatten sitzen“ (Lk. 1, 79). Ja, diese Heidenwelt ist der große Blinde am Wege unserer Zeit. Die heilige Kirche Christi kommt auf ihrem Weg zum himmlischen Jerusalem vorbei. Wir, ihre Kinder, sind die pilgernde Volksmenge. O halten wir ein! Ein Ruf dringt an unser Ohr. Wehren wir jene Stimme nicht ab; wir können sie nicht zum Schweigen bringen. Es ist der millionenfache Notschrei blinder Menschenseelen, der Bittruf nach Licht, nach Wahrheit und Erkenntnis. Könnten wir diesen Ruf überhören? Hemmen wir heute ein wenig unsere Schritte, stehen wir für einen Augenblick still in kurzer, ernster Betrachtung über das Missionswerk unter den Heiden und laßt uns miteinander erwägen:

1. der Heiden Unglück: der Blinde am Wege, und
2. Der Heiden Hilfe: Jesus, der Sohn Davids.

Der Heiden großes Unglück

Andächtige Christen! Der Heiden ganzes und großes Unglück schauen wir in dem Bild des heutigen Evangeliums, in dem Blinden am Wege. Um den vollen Umfang dieser Not des unglücklichen Menschen zu erfassen, achten wir auf seinen Zustand und hören wir seine Worte. Ein einziges Wort sagt uns seinen ganzen Jammer, sein ganzes Elend: er ist blind. „Süß ist das Licht, und lieblich für die Augen, die Sonne zu sehen“ (Prd. 11, 7). Nichts ersehnt das Menschenherz mehr als Licht. Ohne Licht wird ihm das Leben freudelos. „Welche Freude kann ich noch haben“, sprach der alte Tobias, nachdem er sein Augenlicht verloren hatte, „da ich hier in der Finsternis sitze und das Licht des Himmels nicht sehe?“ (Tob. 5, 12)

Die geistige Blindheit

Ein großes Unglück ist für den Menschen die körperliche Blindheit, aber verhängnisvoller ist für ihn die geistige Blindheit.Nach den Worten des göttlichen Heilandes ist es für den Menschen besser, mit einem Auge in das Leben einzugehen, als zwei Augen zu haben und in die Gehenna des Feuers geworfen zu werden (Mt. 18, 9). Diese geistige Blindheit, andächtige Christen, kann eine selbst verschuldete sein, und solch bedauernswerte Blinde wandeln vielleicht auch in unserer Mitte. O möchte ihnen die heutige Betrachtung über das Unglück der Heidenwelt die Augen öffnen! Möchten sie lernen, wie hart es ist, Gott, seinen Herrn, verlassen zu haben, dem Licht des heiligen Glaubens und dem Leben der Gnade abgestorben zu sein. In der kommenden Fastenzeit nähert sich ihnen der göttliche Heiland mit einem neuen Angebot seiner Gnade. Mögen sie dieses benützen und wieder sehend werden.

Aber es gibt auch eine unverschuldete, eine angeborene geistige Blindheit. Und das ist die Blindheit er armen Heiden. Sie ahnen nicht, wie süß das Licht des heiligen katholischen Glaubens ist, das uns die Wunder- und Gnadenwerke unseres Gottes enthüllt und uns in seine Geheimnisse einführt. Sie ahnen nicht, wie lieblich es ist, mit dem Seelenauge Jesus Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, in seiner Lehre und in seinem Beispiel zu schauen. Doch das eine empfinden sie, daß ihnen die wahre Freiheit und Freude fehlt, daß sie in der Finsternis wirrer, dunkler Wahnvorstellungen sitzen und das reine Himmelslicht nicht sehen. Während über das Jerusalem des Neuen Bundes, über unsere heilige Kirche, das Licht der göttlichen Offenbarung gekommen und die Herrlichkeit des Herrn über dieser Gottesstadt aufgegangen ist, bedeckt Finsternis die Erde der Heidenwelt und Dunkel die Völker des Heidentums (vgl. Is. 60, 2).

Die Heidenwelt kennt nicht das ewige, übernatürliche Ziel

Diese Blindheit ist die Ursache des großen Unglücks, das auf den Heidenvölkern lastet, gleichwie das ganze Elend des Blinden im Evangelium sich aus dem Verlust des Augenlichtes ergab. Dieser Blinde, andächtige Christen, saß am Wege. Was kann ihm die breite sichere Straße nützen? Es fehlt ihm das Licht, es fehlt ihm der Führer. Am Wege lauern im Hinterhalt die Räuber und Wegelagerer; am Wege lauern drohen steile, gefahrvolle Klippen oder öffnen sich todbringende Schluchten. Dieser Blinde saß am Wege. Er ist in Untätigkeit, er ist in seiner Bewegung gehemmt. Vor ihm auf dem Wege eilen mit großer Geschäftigkeit die Pilger vorüber. Sie streben dem klar erkannten und heißt ersehnten Ziel entgegen: der Stadt Jehovas. Und er muss hier am Wege verkommen! Was nützen ihm alle übrigen Kräfte des Leibes und der Seele? Es fehlt ihm das Augenlicht, und damit fehlt ihm alles. Für ihn ist das herrliche Ziel unerreichbar.

In einem viel höheren Grade und Sinne, andächtige Christen, ist das Heidenvolk ein Blinder neben dem Wege. Es fehlt ihm Christus, der wahre Weg des Heiles; es fehlt ihm das wahre Licht des Glaubens, das Wort des Herrn, das ja eine Leuchte unseren Füßen ist und ein Licht auf unseren Wegen (Ps. 118, 105). Die Heiden sind blindlings preisgegeben dem dreifachen Feind unseres Heiles: der Welt, dem Teufel und der eigenen Begierlichkeit; sie sehen nicht den tiefen Abgrund der menschlichen Leidenschaften, der sich vor ihnen geöffnet hat. Die Heidenwelt ist der Blinde am Wege. In Untätigkeit, durch mannigfache Banden gehemmt, sitzt sie am Wege der zeit, während wir, das mit dem göttlichen Heiland vereinigte Volk, auf sicherem Wege dem ewigen Jerusalem zustreben. Die Heidenwelt kennt nicht das ewige, übernatürliche Ziel der Menschheit und kennt nicht den Weg und kennt nicht die Mittel, es zu erreichen. Während „das Licht deines Angesichtes, o Herr, über uns gezeichnet ist und du die Freude in unser Herz gegeben hast“ (Ps. 4, 7), ach, da schmachtet und trauert das Volk der Heiden, das in Finsternis wandelt und die Landschaft des Todesschatten bewohnt (vgl. Is. 9, 2).

Die Kinder der heiligen Kirche haben alle Gnadenmittel

Der Blinde saß am Wege und bettelte. Durch seine Blindheit ist er zur Untätigkeit verurteilt. Er kann sich selbst nichts verdienen; er ist alles Verdienstes bar. Die kostbare Zeit verrinnt für ihn unbenützt. Alle Schätze der Erde haben für ihn keinen Wert. Sein Los ist die drückende, bittere Not. Er ist gezwungen, von der Mildtätigkeit der fremden Leute zu leben; er muss betteln.

Andächtige Christen! Die heilige Kirche lehrt uns, daß der Mensch, der das Licht des Glaubens und das Leben der Gnade verloren hat, daß ein jeder, der sich im Zustand einer schweren Sünde befindet, unfähig ist, sich Verdienste für die Ewigkeit zu erwerben. Nun, wir Kinder der heiligen Kirche haben die Gnadenmittel, die heiligen Sakramente, die uns das Gnadenleben wieder geben und damit die Fähigkeit und das Vermögen unsere Werke im übernatürlichen Sinn verdienstlich zu machen. Wir können durch die gute Meinung alle unsere Gedanken, Worte und Werke heiligen und ihnen einen Ewigkeitswert verleihen. Einen jeden Augenblick unseres Lebens können wir auf diese Weise für die Ewigkeit ausnützen. Wir sind überreich durch die Gnade Gottes; wir haben das Leben in überreicher Fülle.

Über alles das muss der Blinde am Wege, die Heidenwelt, entbehren. Sie sitzt am Wege des Christentums und muss betteln – betteln, um ihren Hunger nach Wahrheit zu stillen, betteln, um die eigene Blöße und Schande zu bedecken. Solch ein bemitleidenswerter, blinder Bettler ist Japan. All sein Fortschritt in Kultur und Zivilisation vermochte nicht, seine Blindheit in religiöser Beziehung zu heilen. Das stolze Japan ist auf der Suche nach einer neuen Religion. Es bettelt und borgt vom Christentum und vom Buddhismus, von Schintoismus und dem modernen Unglauben. Aber nur der eine, ungeteilte Christus kann das rettende Licht bringen. In ähnlicher Weise ergeht es dem Konfuzianismus in China, dem Buddhismus in Indien, dem Islam und Fetischismus in Afrika. Solange allen diesen Völkern nicht das Licht des Christentums gebracht wird, werden sie wie Blinde am Wege sitzen und betteln.

Aus sich heraus kann die Heidenwelt Christus nicht finden

O wie sehr musste der Blinde sein Unglück empfinden, als er die fröhlichen Scharen vorüber ziehen und ihre freudigen Pilgerpsalmen in der Ferne verklingen hörte. O wenn doch einer käme und ihn gesund machte! O wenn doch einer, der die Macht dazu hat, zu ihm sagte: „Sei sehend“, und er schauen könnte das herrliche Ziel und wandeln könnte den Weg! Mit welchen Gefühlen der Freude und Wonne würde er auf diesem Wege zu Jehova eilen! Ach, mit heißen Tränen des Dankes würde er seine Hände den leuchtenden Zinnen des Tempels entgegen strecken. Solche Gefühle verraten uns seine Worte, die uns das Evangelium berichtet.

„Als er das Volk vorüber ziehen hörte, fragte er, was das wäre? Sie aber sagten ihm, daß Jesus von Nazareth vorbei komme.“ Bemerken wir es wohl, andächtige Christen, aus sich selbst kann der arme Blinde nicht wissen, daß Jesus von Nazareth vorbei kommt. Es muss ihm das gesagt werden. Mit eigenen Kräften kann er sich seinem Unglück nicht entwinden. Andere müssen ihm zu Hilfe kommen. Aus sich selbst kann es die Heidenwelt nicht wissen, daß Jesus auch für sie als Heiland gekommen ist; es muss ihr das gesagt werden. „Wie werden sie glauben an den, von welchem sie nicht gehört haben? Wie aber werden sie hören ohne einen Prediger“ (Röm. 10, 14). Deshalb sandte auch der göttliche Heiland seine Apostel aus, um das Evangelium zu predigen; deshalb sendet auch noch die heilige Kirche ihre Missionare mit der Heilsbotschaft zu den Völkern, daß Jesus von Nazareth vorbei komme.

Kaum hatte der Blinde am Wege die Botschaft von dem Kommen Jesu gehört, da rief er und sprach: „Jesus, Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ O, der Arme hatte es richtig erfaßt; kein anderer als Jesus kann ihm Hilfe bringen. Vielleicht hatte der Mann schon manches von Jesu Wundertaten gehört; vielleicht hatte man es ihm auch gesagt, was einer der größten Propheten seines Volkes von dem Sohn Davids geweissagt hatte: „Zu derselben Zeit werden die Tauben die Worte des Buches hören, und die Augen der Blinden aus Finsternis und Dunkel hervor schauen“ (Is. 29, 18), und wie Gott einst versprochen hatte: „Dann führe ich die Blinden auf einen Weg, den sie nicht kennen, auf Pfaden, die ihnen unbekannt sind, und mache sie gehen; ich wandle die Finsternis vor ihnen in Licht und das Krumme in Gerades; solches tue ich ihnen und verlasse sie nicht“ (Is. 42, 16).

„Und die voran gingen, fuhren ihn an, daß er schweigen solle.“ Jene, die auf dem Wege, im Licht wandelten, empfanden das Rufen und Flehen des Blinden als lästig. Ach, sie kannten nicht sein Unglück. Sie hatten noch nie zu betteln gebraucht. Der überreiche Besitz machte sie hart und gefühllos.

Jesus weist die Bitte des Blinden nicht zurück

Andächtige Christen! Geschieht es nicht auch in unseren Tagen, daß die Bitte für die Blinden der Heidenwelt als lästig empfunden wird? Die Heiden können zwar nicht selbst zu euch kommen. Aber in ihrem Namen pocht an euer Herz ein armer Missionar. Es ist die bitterste Seelen- und Leibesnot, die euch im Namen Christi die bittende Hand entgegen streckt. Ach, jene , die voran gingen, fuhren ihn an, daß er schweigen solle! Ist es nicht eine Tatsache, daß die großen Missions-Almosen sich aus den Opferpfennigen der Armen zusammen setzen? Aber wie steht es mit jenen, die in der menschlichen Gesellschaft voran gehen, mit den Reichen und Gebildeten? In unsern Tagen ergeht ein besonderer Aufruf an die gebildeten Kreise und Stände, das Missionswerk mit allen Kräften zu unterstützen.

Andächtige Christen! Wer wir auch immer seien, wir dürfen und können nicht die Missionsbitte zurückweisen. „Er aber schrie noch viel mehr: Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ Der Blinde war sich seiner Lage bewußt. Eine so günstige Gelegenheit würde er nicht mehr haben. Jetzt oder nie! Und er setzt alle menschlichen Rücksichten beiseite. O, er weiß es: wenn Jesus von Nazareth ihn hört, dann ist seinem Unglück geholfen. Dem großen Unglück der Heidenwelt wird geholfen sein, wenn ihr Jesus Christus gebracht wird. Von ihm weissagte Isaias: „Ich mache dich zum Licht der Heiden, daß du mein Heil bis an der ErdeGrenzen bringst“ (49, 6). Die Blindheit ist das große Unglück der Heidenwelt, und nur einer ist ihre Hilfe: Jesus, der Sohn Davids.

Wenn doch nur die blinden Heiden zu Christus geführt würden!

Andächtige Christen! Die voran gehende Menge konnte den Blinden am Wege nicht zum Schweigen bringen. Er rief nur um so lauter. „Da blieb Jesus stehen“, so erzählt unser Evangelium, „und befahl, ihn zu sich zu führen.“ Der Blinde muss zu Jesus geführt werden, dann wird ihm die Hoffnung auf sein Augenlicht werden. Die Heidenwelt muss zum Sohn Davids geleitet werden, dann wird auch ihre Blindheit geheilt werden. Der Blinde befindet sich vor dem göttlichen Heiland. Wir schauen in diesem Bild die Hilfe der Heidenwelt: es ist Jesus, der Sohn Davids. Und wir hören eine Frage, eine Bitte und eine Antwort.

Die Frage stellt der göttliche Heiland: „Als der Blinde sich genähert hatte, fragte er ihn und sprach: Was willst du, daß ich dir tun soll?“ Muss uns diese Frage aus dem Mund des Allwissenden nicht überraschen? War nicht das große Unglück des armen, blinden Menschen allen sichtbar? War sein Rufen nicht von allen gehört worden? Gewiß wußte der göttliche Heiland, was er ihm tun sollte, aber er stellt die Fragen aus Rücksicht auf den Blinden, aus Rücksicht auf die ihn umgebende Volksmenge und aus Rücksicht auf uns.

Aus Rücksicht auf den Blinden. Im Glauben an die göttliche Wundermacht Christi soll er sein Augenlicht wieder finden, aber noch einmal sollte er seine Not und seinen Glauben bekennen. In der Nähe des göttlichen Heilandes sollte er noch einmal der eigenen Hilflosigkeit und der Ratlosigkeit der andern sich bewußt werden. Sein ganzes Hoffen sollte einzig auf dem beruhen, der vor ihm stand.

Aus Rücksicht auf die umstehende Volksmenge und auch aus Rücksicht auf uns stellt Christus seine Frage: „Was willst du, daß ich dir tun soll?“ Wo Menschenhilfe versagt hatte, da will Christus mit seiner Gottesmacht alles tun, was der Glaube erbittet. Wo Menschenkunst und Menschenweisheit nichts zuwege gebracht haben, da wird Christus mit seiner Wunderkraft ein neues Licht verleihen. Christus gibt dem Blinden das Licht der Augen wieder. Christus, und nur er allein, wird auch dem großen Blinden am Wege unserer Zeit das Seelenauge öffnen. O wenn die Heidenvölker nur zu Christus geführt würden, dann wäre ihnen schon geholfen! Aber sie müssen vielleicht so lange blind am Wege des Heiles sitzen, um sich so recht ihrer Not und Hilflosigkeit bewußt zu werden und um es ihnen klar zu machen, daß nur Jesus, der Sohn Davids, ihre einzige Hoffnung ist. Ihre Not muss vielleicht in solchem Maße anwachsen, um es uns zum Bewusstsein zu bringen, daß keine irdische Macht, keine Kultur, keine Zivilisation ihrer geistigen Blindheit helfen kann, sondern nur das göttliche Wort aus Jesu Munde. Christus ist das Licht der Heiden. Der greise Priester Simeon pries ihn als das Licht zur Erleuchtung der Heiden (Lk. 2, 32). Christus selbst nennt sich das Licht, das in die Welt gekommen ist, damit jeder, der da an ihn glaubt, nicht in der Finsternis bleibe (Joh. 12, 46). Er ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in diese Welt kommt (Joh. 1, 9); das Licht der Menschen, das in der Finsternis leuchtet (Joh. 1, 4); das Licht der Welt: wer ihm nachfolgt, wandelt nicht in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben (Joh. 8, 12).

Christus ist das Licht in der Finsternis

In der Nähe des göttlichen Heilandes belebt sich der Glaube und die Hoffnung des Blinden. Wir hören, wie er mit aller Zuversicht seine Bitte stellt: „Herr, daß ich sehend werde.“ Um sein Augenblick bittet der Blinde. Um das eine fleht er, was ihm vor allem not tut zu einem glücklichen Leben. Er verschmäht alles andere, denn was immer er haben könnte, ohne Licht kann er nicht schauen, was er hat. Nicht um Reichtum bittet er, nicht um Ehre, nicht um Brot, nur um das eine: „Herr, daß ich sehend werde.“

Andächtige Christen! Nur eines tut den Heiden not: daß sie sehend werden. Was nützt alles andere, was Kulturreichtum, was Literaturstolz, wenn ihnen das Licht fehlt, um den wahren Wert der Dinge abzumessen. Mache, o Herr, daß sie sehend werden und die Blindheit ihrer Seelen gehoben werde, mit der eitler Götzenwahn sie geschlagen hat; daß sie sehend werden und die Irrwege schauen, ihre Wege der Torheit und der Sünde; daß sie sehend werden und dich als Gott erkennen und Christus, deinen Sohn, den du gesandt hast, und so das ewige Leben haben.

Die Christen sind Lichtträger für die Heidenwelt

Die Blindheit der Heidenwelt soll gehoben werden durch das Licht des wahren Glaubens. Dieses Licht, andächtige Christen, muss ihnen gebracht, und zwar durch uns gebracht werden. Unser Glaube muss seinen hellen Schein in die Nacht der Heidenwelt tragen: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt. 5, 15). Wir alle sind nach den Worten des hl. Paulus Lichtkinder und Tagessöhne (1. Thess. 5, 5), und Lichtträger sollen wir sein der Heidenwelt. „Gesetzt habe ich dich zum Licht der Heiden, daß du seiest zum Heil bis an das Ende der Erde“ (Apg. 13, 47). Diese Worte, die von den ersten Heiden-Missionaren,, den hll. Paulus und Barnabas, geschrieben stehen, gelten auch von jedem Missionar, der mit der Leuchte des Evangeliums zu den Heiden hinaus zieht, gelten von jedem Christen, der in seiner Glaubens-Überzeugung das heilige Missionswerk unterstützt. Nur auf diese Weise kann die Kirche ihre Missionspflicht erfüllen und im Namen ihres göttlichen Stifters auf die Bitte der Heidenwelt antworten.

Auf die Bitte des Blinden antwortet der göttliche Heiland: „Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen!“ O liebes, großes Heilandswort! Wer kann dich erfassen, begreifen? Ein neues „Es werde Licht“ über die Finsternis dieses Mannes am Wege, ein neuer Schöpfungsmorgen über die Nacht des Heidentums. Eine neue Sonne läßt du aufsteigen über den Blinden von Jericho, einen neuen Lichtquell über die Menschheit. Neue Sehkraft gibst du dem erblindeten Auge des Körpers, neue Sehkräfte der Menschenseele, daß sie jetzt aufsehe und auffliege zu dir. „Sei sehend!“ O gütiger göttlicher Heiland! Auch zu uns hast du einmal dies Wort gesprochen: „Aus der Finsternis hast du uns gerufen in dein wunderbares Licht“ (1. Petr. 2, 9). O gib, daß wir immer in diesem Licht wandeln, daß wir Kinder des Lichtes seien (Joh. 12, 36). Aber dann, göttlicher Heiland, sprich noch einmal dieses Wort: „Sei sehend!“ Sprich es aus über die Blinden am Wege unserer heiligen Kirche; sprich es aus über alle jene, die dich noch nicht kennen; sprich dieses Wort in deiner Güte und Allmacht, daß die Binde von den Augen der Heiden falls und daß sie sehend werden, dir folgen und Gott preisen… (Robert Streit O.M.I.) –
aus: Robert Streit O.M.I., Missionspredigten Zweiter Teil Der göttliche Wille, 1914, S. 23 – S. 33

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