P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
Die Laster des Neides und Müßigganges und der Trägheit
Der Neidische ist sein eigener Quälgeist; daher das Sprichwort: „Viel Neid – viel Leid.“ – Eine Bäuerin besaß ein schönes Gut, viel und schmuckes Vieh, und doch beneidete sie immer andere. Abends, wenn das Vieh von der Weide kam, stellte sie sich unter die Haustür und ärgerte sich gewaltig, wenn sie eine schöne Kuh vorbei gehen sah, die ihrem Nachbar gehörte. Sah sie auf fremden Feldern schönen Hanf oder Flachs, so rief sie ungehalten aus: „Andern gerät alles, mir nichts!“ So ärgerte und quälte sie sich unaufhörlich. Deshalb kränkelte sie auch fortwährend und starb in ihren besten Jahren am Gallenfieber, als kurz zuvor eine Nachbarin 100 Taler geerbt hatte. (Schmids Histor. Katech., Bd. VI.)
König Amasis von Ägypten gab das Gesetz, daß sich jeder alljährlich bei seinem Statthalter ausweisen müsse, wovon er lebe. Wer dieses unterlasse oder eine gesetzliche Gewerbsart nicht nachweisen könne, der solle als unnütze Last der Erde sterben. (Plinius 1. 36. c. 12)
Der hl. Abt Paulus fand seinen dürftigen Unterhalt an den Früchten der Palmen und dem kleinen Gärtchen, das er bei seiner Zelle hatte. Dessen ungeachtet verfertigte er das ganze Jahr hindurch Decken aus Palmblättern. Weil aber seine Zelle mehr als sieben Tagreisen von allen menschlichen Wohnungen entfernt war, und das Hinliefern mehr gekostet hätte, als die Decken wert waren, verbrannte er am Schluß jedes Jahres seine Arbeit und fing wieder von neuem an zu arbeiten, indem er sagte, ein Mönch könne ohne Arbeit nicht ausharren, noch den Gipfel der Vollkommenheit erringen. (Cassianus, De instit. Renuntiant. 1. 10. c. 24)
Zu dem heiligen Prior des Klosters Oberaltaich, Albert, kam eine sehr verkommene öffentliche Sünderin namens Misnia zur Beichte. Sie zeigte einen so offenkundigen Reueschmerz, daß ihr der Abt die Lossprechung nicht versagen konnte. Allein ihre Bekehrung war von kurzer Dauer, Ein zweites Mal von der Gnade heimgesucht, begehrte sie wiederum unter vielen Tränen von Albert die Lossprechung. Der Beichtvater bestellte sie auf den folgenden Tag, er wollte sich zuerst im Gebet mit Gott beraten. Misnia kam und der Heilige setzte ihr als Bedingung: „Vor allem meide den Müßiggang; denn dieser ist die ganze Ursache deines schändlichen Rückfalles. Sofern du mir nun aufrichtig zusagst, daß du in Zukunft eine beständige Arbeit ergreifen und mit der Arbeit auch einiges Fasten verbinden willst, so versichere ich dich deines Heiles und spreche dich los von deinen Sünden.“ Misnia versprach es, führte ihr Versprechen aus und starb eines heiligmäßigen Todes.
Ein junger Einsiedler sprach einst zu einem frommen Altvater, seinem geistlichen Lehrmeister: „Wie kommt`s, mein Vater, daß Unlust und Trägheit mich überwältigen?“ „Dies ist ein Zeichen, daß du dir weder die Herrlichkeit des Himmels noch die Pein der Hölle gebührend vor Augen stellst“, war die Antwort; „Denn wenn du es tätest, so würde dir das Verlangen nach der ewigen Seligkeit und die Furcht vor der ewigen Strafe ein genügender Sporn zum Eifer und zur Zerknirschung sein, mit denen man jene Schlaffheit des Gemütes erfolgreich bekämpfen kann.“ (Hahn-Hahn, Väter der Wüste, S. 242) Wenden wir auch dieses Mittel gegen die Lauheit an.
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 2. Band Lehre von den Geboten, 1912, S. 548; S. 550-551