P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
§ 2. Das heilige Messopfer
Wem bringen wir das heilige Messopfer dar?
Wir bringen es Gott allein dar, doch feiern wir dabei auch das Gedächtnis der Heiligen.
Wie die Glaubensneuerer des sechzehnten Jahrhunderts, so machten schon im fünften Jahrhundert die Manichäer der katholischen Kirche den Vorwurf, daß sie den Märtyrern oder überhaupt den heiligen Opfer darbringe. Der hl. Kirchenlehrer Augustin wies diesen Vorwurf mit Entschiedenheit zurück und setzte zugleich die katholische Lehre bezüglich dieses Gegenstandes auf das lichtvollste auseinander. „Wir begehen“, schreibt er (Gegen Faustus, Bch. 20, Kap. 21), „mit religiöser Feier das Gedächtnis der Märtyrer… aber jene Verehrung, die man Anbetung nennt, und die der Gottheit allein gebührt, erweisen wir ihnen nicht, lehren auch nicht, daß man sie jemand anders erweisen solle als Gott allein. Da aber das Opfer wesentlich zu dieser Art der religiösen Verehrung gehört, so bringen wir weder einem Märtyrer noch einem Heiligen oder Engel irgend ein Opfer dar, und wer je in diesen Irrtum gerät, der wird durch die gesunde Lehre zurecht gewiesen.“ „Wer hat jemals gehört“, schreibt er an einer Stelle (Von der Stadt Gottes, Bch. 8, Kap. 27), „daß ein rechtgläubiger Priester am Altar, selbst an einem Altar, der über dem hl. Leib eines Märtyrers zur Ehre und Verherrlichung Gottes errichtet war, gesagt hätte: Ich bringe dir, Petrus, oder dir, Paulus, dir Cyprianus, dieses Opfer dar?“ „Wir bringen“, fährt er fort, „an den Grabstätten der Märtyrer Gott Opfer dar, damit wir durch diese Feier ihm Dank sagen für den Sieg, den er jenen glorreichen Blutzeugen verliehen, damit wir durch Erneuerung ihres Gedächtnisses uns selbst anregen, nach ähnlichen Kronen und Siegespalmen zu ringen, … damit wir auch an ihren Verdiensten Anteil haben und uns durch ihre Fürbitte geholfen werde.“ Aus der Lehre des hl. Augustin geht also deutlich hervor, daß zwar das hl. Messopfer Gott allein dargebracht wird, daß aber dabei das Andenken der Heiligen gefeiert wird. Es wäre eine leichte Aufgabe, durch zahlreiche Stellen aus andern Kirchenvätern sowie auch aus den alten Liturgien unwiederbringlich nachzuweisen, daß besagter Gebrauch in der ganzen Kirche herrschend war.
Mit vollem Recht begehen daher auch wir bei der hl. Messe das Gedächtnis der Heiligen, indem wir 1. Gott danken für die ihnen verliehene Gnade und Seligkeit, 2. sie um ihre Fürbitte anrufen. Und wir dürfen gar nicht zweifeln, daß die eben bezeichnete Gedächtnisfeier der Heiligen für uns sehr heilsam sei und auch in hohem Grade zur Verherrlichung dieser verklärten Diener Gottes beitrage. Das Andenken an ihr Tugendbeispiel ermuntert uns zur Nachahmung; die Erinnerung an ihren Triumph und an die übergroße Seligkeit, die sie errungen, entflammt uns zum mutigen Kampf; die vertrauensvolle Anrufung jener glorreichen Sieger, die jetzt den Thron ihres göttlichen Königs und Anführers umstehen, verschafft uns höhere Kraft und Ausdauer; der Dank endlich, den wir dem Allerhöchsten aussprechen für die seinen verherrlichten Dienern verliehene Gnade, ist zugleich eineLobeshymne auf die Heiligen, die mit derselben so treu und großmütig mitgewirkt haben. Wir sind demnach wohl berechtigt zu sagen, daß wir das hl. Messopfer zwar Gott allein, jedoch auch zu Ehren der Heiligen darbringen.
So lehrt auch das Konzil von Trient (Sitz. 22, Kap. 3) fast mit denselben Worten, denen sich der hl. Augustin bediente. „Obgleich die Kirche“, heißt es daselbst, „zur Ehre und zum Gedächtnis der Heiligen mitunter einige Messen zu feiern pflegt, so lehrt sie doch nicht, daß ihnen, sondern Gott allein, der sie gekrönt hat, das Opfer dargebracht werde. Daher pflegt auch der Priester nicht zu sagen: Ich bringe dir, Petrus oder Paulus, das Opfer dar, sondern, indem er Gott für ihre Siege dankt, fleht er um ihren Schutz, damit die im Himmel für uns bitten mögen, deren Gedächtnis wir auf Erden begehen.“ – aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 171-172