Eine Sklavenmutter und ihr Kind

Das Los von Sklavenkindern: Zwei afrikanische Kinder, ein Junge und ein Mädchen, bitten um christliche katholische Missionierung, um dem Götzendienst zu entfliehen

Beispielsammlung aus der Heidenmission für den christlichen Unterricht

Eine Sklavenmutter und ihr Kind in Afrika

Die Mission Ubanghi in Zentralafrika wird von der Gesellschaft der Väter vom Heiligen Geist missioniert. Einer der Missionare, Pater Allaire, der sich ganz dem Loskauf und der Rettung armer Sklaven widmet, schildert in einem Brief vom Jahre 1896 das schreckliche Los dieser Unglücklichen. Unter anderem berichtet er folgende ergreifende Begebenheit: Unter unsern losgekauften Kindern befindet sich ein Knabe mit Namen Hanga, der erst seit kurzem getauft ist. Eines Tages erzählte er mir seine Geschichte.

„Ich war noch ganz klein, als ich mit meiner Mutter, die Maniok pflanzen wollte, das Dorf verließ. Während der Arbeit bat ich sie um die Erlaubnis, im Wald Motofi (die Frucht einer Kautschuk-Schlingpflanze) sammeln zu dürfen. ‚Gehe‘, antwortete die Mutter, ‚gib aber acht und komme bald zurück.‘ – Ich sprang davon, hatte aber kaum fünfzig Schritte im Wald gemacht, als drei Männer mich umringten, banden und fortführten. Tags darauf wurde ich in einem Dorf, das ich noch nie gesehen, verkauft. O wie hart war mein Los! Nach einiger Zeit wurde ich an einen andern Häuptling verkauft; dieser war besser, doch behielt er mich nicht lange, und ich kam in andere Hände. So habe ich sechs Häuptlinge gehört. Als die Frau meines letzten Meisters gestorben war, hörte ich in der Nacht, während man mich schlafend glaubte, sagen, man werde mir, sobald der Mond gewachsen sei, den Kopf abhauen, damit ich die Tote begleite. Als aber du, Vater, nach drei oder vier tagen landetest, verkaufte mich mein Herr an dich, angelockt durch deine schönen Sachen. Bei deinem Anblick fürchtete ich mich zuerst, denn du hast einen großen Bart. Bei uns haben nur die Häuptlinge einen Bart, und alle Häuptlinge sind böse Leute. Nun aber bin ich sehr mit dir zufrieden, Pater. Du gibst uns gut zu essen und hast uns gesagt, daß auch wir in den Himmel kommen und nicht getötet werden, wenn du stirbst.“

Einen Monat später ging Hanga mit zu Schiff. Er wurde sogar an der Maschine angestellt und vollzog alle Befehle mit der größten Genauigkeit. Eines Morgens, nachdem wir die Nacht vor einem Dorf zugebracht, und der Dampfer bereits geheizt war, gab ich Befehl zur Abfahrt. Hanga war auf seinem Posten, doch er wiederholte nicht das Kommando, noch setzte er das Schiff in Bewegung. Auch nach einem zweiten und dritten Befehl folgte Schweigen und Unbeweglichkeit. Da hieß es nun freilich nachsehen, was der sonst so zuverlässige Mechaniker mache. –

Armer Kleiner! Wie versteinert saß er auf seinem Sitz, die Augen weit aufgesperrt, die Hände gegen ein Schiffchen ausgestreckt, welches eben an den Dampfer anlegte. „Meine Mutter“, reif er mir zu, „siehe da: meine Mutter!“ –

Die Geschichte des geraubten Knaben kam mir wieder in den Sinn. Da war die arme Mutter; sie blickte mich flehend an. Ich zog mich zurück, um meine Rührung zu verbergen. Hierauf lud ich die Mutter ein, an Bord zu kommen; dem Hanga gab ich reiche Geschenke und überließ dann Mutter und Kind den Freuden des Wiedersehens.

Es hieß nun abreisen und, wie es meine Pflicht war, wollte ich das Kind bei der Mutter lassen. In gütiger Weise suchte ich den Kleinen zum Bleiben zu bestimmen. „Ach, Vater“, seufzte Hanga traurig, „mein Dorf wurde verbrannt, die Mutter gefangen und als Sklavin verkauft. Stirbt ihr Herr, so muss auch sie sterben, bleibe ich bei ihr, so wird man auch mich töten. Bei dir bleibe ich am Leben, auch wenn du stirbst. Vater, o Vater, verstoße mich nicht!“ –

Was war da zu machen. Gern will ich ein großes Lösegeld zahlen, dachte ich, Hangas Mutter zu befreien und bot 300 Frank in Waren, Zeug, Kupfer, Perlen usw. „Nein“, erwiderte grinsend der kleine Häuptling. Ich bot 400, 500 Frank. „Nichts von 500 Frank“, erwiderte er mit höhnischer Miene. 600, 800, 1000 Frank konnten seine boshafte Gesinnung nicht ändern. „Du hast das Kind“, rief er, „die Mutter sollst du nie haben. Wenn ich sterbe, brauche ist starke Sklaven, die mit mir sterben.“ Erbarmungslos ergriff er einen Stock und zwang die arme Mutter zur Rückkehr. (JVG 1896, 88) –
aus: Hermann Fischer SVD, Beispielsammlung aus der Heidenmission für den christlichen Unterricht, 1922, Bd. 2, S. 36 – S. 37

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