Mariä Himmelfahrt Die Ehrenvorzüge Marias

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Pius XII. Bulle „Munificentissimus Deus“ Mariä Himmelfahrt

vom 1. November 1950

Auszug Teil I

Die Ehrenvorzüge Marias

552 Gott, der Herr, der von Ewigkeit her mit der Fülle des Wohlgefallens sein Augenmerk auf die Jungfrau Maria gerichtet hielt, hat in der Tat, als die Fülle der Zeit gekommen war [Gal. 4,4] den Ratschluß seiner Vorsehung so verwirklicht, dass die Ehrenvorzüge und Vorrechte, die er ihr in unermeßlicher Freigebigkeit hat zuteil werden lassen, in vollkommener Harmonie zusammen klingen. Um diese unermeßliche Freigebigkeit und vollendete Harmonie der Gnadenvorzüge Marias hat die Kirche jederzeit gewußt und sie im Laufe der Jahrhunderte mehr und mehr zu erfassen gesucht; in unseren Tagen aber ist es der Ehrenvorzug der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel, der in ganz besonders klarem Lichte hervortritt.

Beziehung zwischen der Unbefleckten Empfängnis und leiblichen Aufnahme in den Himmel

553 Dieser Ehrenvorzug Marias zeigte sich in neuem Glanze, als unser Vorgänger unvergeßlichen Andenkens, Pius IX., die Unbefleckte Empfängnis der erhabenen Gottesmutter in feierlicher Entscheidung als Glaubenssatz verkündet hatte. Diese beiden Ehrenvorzüge sind nämlich aufs engste miteinander verknüpft. Durch seinen Tod hat Christus zwar die Sünde und den Tod überwunden, und wer durch die Taufe zum übernatürlichen Leben wiedergeboren ist, hat durch Christus Sünde und Tod ebenfalls besiegt: aber die volle Auswirkung dieses Sieges will Gott den Gerechten nach einem allgemein geltenden Gesetz erst dann zuteil werden lassen, wenn einmal das Ende der Zeiten gekommen ist. Daher fallen auch die Leiber der Gerechten nach ihrem Tode der Verwesung anheim, und erst am Jüngsten Tage wird der Leib eines jeden mit seiner verherrlichten Seele vereinigt werden.
Von diesem allgemein gültigen Gesetz wollte Gott die Allerseligste Jungfrau Maria ausgenommen wissen. Sie hat ja durch ein besonderes Gnadenprivileg, durch ihre Unbefleckte Empfängnis, die Sünde besiegt, war deshalb dem Gesetz der Verwesung des Grabes nicht unterworfen und brauchte auf die Erlösung ihres Leibes nicht bis zum Ende der Zeiten zu warten.

Das Glaubenszeugnis der Kirche

559 Dieser einmütige Glaube der Kirche zeigt sich seit den frühesten Zeiten im Laufe der Jahrhunderte durch mannigfache Zeugnisse, Anzeichen und Spuren und tritt allmählich in immer hellerem Lichte hervor.
Die Gläubigen hatten, durch ihre Hirten belehrt und geführt, aus der Heiligen Schrift gelernt, daß die Jungfrau Maria im Laufe ihrer irdischen Wanderschaft ein Leben voll von Sorge, Not und Leid geführt hat; sie wußten, daß die Weissagung des frommen Greises Simeon sich erfüllt hatte, als unter dem Kreuze ihres göttlichen Sohnes, unseres Erlösers, ein scharfes Schwert ihr Herz durchbohrte; sie fanden selbst keine Schwierigkeit darin, anzunehmen, auch die Gottesmutter sei, wie schon ihr göttlicher Sohn, durch den Tod aus diesem Leben geschieden. Aber alle diese Erwägungen hinderten sie keineswegs, zu glauben und es offen zu bekennen: Marias heiliger Leib sei niemals der Verwesung des Grabes anheimgefallen, niemals sei das erhabene Wohnzelt des göttlichen Wortes zu Staub und Asche geworden. Im Gegenteil, erleuchtet durch Gottes Gnade und von der Liebe zu Maria, der Mutter Gottes und unserer süßesten Mutter, getrieben, betrachteten sie in immer klarerem Lichte jene wundervolle Übereinstimmung und Verbindung zwischen den Gnadenvorzügen, die Gottes Vorsehung ihr, der hehren Gehilfin unseres Erlösers, hat zuteil werden lassen. Gnadenvorzüge von so unerreichter Höhe, dass nie ein anderes Geschöpf, die menschliche Natur Jesu Christi ausgenommen, so hoch emporgestiegen ist.

Liturgische Festfeier der Himmelfahrt

561 Noch allgemeiner und glanzvoller aber offenbart sich der Glaube von Hirten und Herde darin, dass dieses Geheimnis, seit allen Zeiten in Ost und West durch ein kirchliches Fest gefeiert wurde, eine Feier, aus der die heiligen Väter und die Lehrer der Kirche unaufhörlich Licht schöpften. Ist doch, wie allgemein bekannt ist, «die heilige Liturgie auch ein dem kirchlichen Lehramt unterstelltes Bekenntnis der übernatürlichen Wahrheiten und kann daher Beweise und Zeugnisse liefern, die von nicht geringem Wert sind, wenn es sich darum handelt, über einen bestimmten Punkt der kirchlichen Lehre zu urteilen». [Pius XII., Rundschreiben Mediator Dei, 20. November 1947. AAS XXXIX (1947) 541. VGL. HK Nr. 249]

Liturgische Bücher

562 In den liturgischen Büchern, die das Fest des «Heimganges» oder der «Aufnahme» Marias enthalten, findet man Aussprüche, die einmütig bezeugen, dass dem heiligen Leibe der jungfräulichen Gottesmutter, als sie aus dieser irdischen Verbannung in die himmlische Heimat ging, durch den Ratschluß der göttlichen Vorsehung jenes Los zuteil wurde, das der Würde der Mutter des menschgewordenen Wortes und den anderen ihr verliehenen Gnadenvorzügen entsprach.

Einsetzung des gebotenen Festtages

564 Der Apostolische Stuhl, der als Erbe das Amt des Apostelfürsten innehat, die Brüder im Glauben zu stärken [Vgl. Luk. XXII 32], hat dieses Fest durch seine Autorität immer feierlicher gestaltet und damit auch den Eifer der Gläubigen wirksam angespornt, die Bedeutung des Festgeheimnisses mehr und mehr zu erfassen. So wurde das Fest, das vom Anfang an einen ehrenvollen Platz unter den Marienfesten innegehabt hatte, in der Folgezeit in die Reihe der höchsten Feste des gesamten Kirchenjahres aufgenommen. Der heilige Sergius I., der für die vier Marienfeste die «Litanei» oder «Stationsprozession» anordnete, nennt zusammen die Feste der Geburt, der Verkündigung, der Reinigung und des Heimganges. [Vgl. Liber Pontificalis, n. 164. PL 128, 898] Später verlieh der heilige Leo IV. dem Fest, das damals schon unter dem Titel Aufnahme der Allerseligsten Gottesmutter begangen wurde, einen höheren Rang und schrieb dafür eine Vigil und eine Oktav vor; der Papst selbst wollte bei dieser Gelegenheit inmitten einer ungeheuren Menschenmenge an der Feier teilnehmen [Vgl. Liber Pontificalis, n. 508. PL 128, 1312]. Die Tatsache, daß am Vortag des Festes schon seit alter Zeit ein Fasten vorgeschrieben war, ergibt sich auch aus dem Zeugnis des heiligen Nikolaus I., der von den hauptsächlichsten Fasttagen spricht, «die die Römische Kirche von alters her angenommen hat und hält» [Nicolaus I., Papst, Respinsa ad consulta Bulgarorum. Ep. 97, n. 4. PL 119, 981].

aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 329-336

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