Der Rosenkranz des Christen Waffenrüstung
Der Rosenkranz ist dem Christen der Helm des Heiles
Im Rosenkranz besitzen wir sodann den Helm des Heiles. Der Helm bildet jenen Teil de Waffenrüstung, womit der Ritter sein Haupt geschützt, damit ihm am Kopf keine Wunde beigebracht werden konnte. Aber gerade nach dem Haupt suchte der Angreifer sein Geschoss und Hiebe zu richten. Daher wurde der Helm aus dem besten Stoff und so fest als nur immer möglich gearbeitet, damit jeder Schwertstreich und jeder Lanzenstoß abprallen musste. Welches ist denn aber der Helm, der das Haupt des Christen gegen Angriffe schützt, und heil und unversehrt erhält? Es ist die Hoffnung, die dem Christen aus dem Glauben an den Erlöser entspringt, die Hoffnung, die auf dem allmächtigen und treuen Worte des Weltheilandes ruht: „Ich bin die Auferstehung und das Leben, wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er schon gestorben ist“; – die Hoffnung, welche die Blutzeugen auf der Folter, auf dem Rad, auf glühendem Rost, auf dem Scheiterhaufen mit Mut erfüllt, die Bekenner im Gefängnis, in der Verbannung, in aller Trübsal getröstet, die Jungfrauen zur Entsagung, zu heldenmütiger Tugend, zur opfermutigen Hingabe an Gott entflammt; – es ist die Hoffnung, die den Christen in allen Leiden und Versuchungen aufrecht erhält, die schwersten Verluste geduldig ertragen und vorab in der Sterbestunde sprechen läßt: „Ich weiß, daß mein Erlöser lebt… diese Hoffnung ruht im meiner Brust.“ Wohl also denjenigen, von denen das Wort des hl. Völkerlehrers gilt: „Induti galeam spem salutis, der Helm, womit sie bekleidet sind, ist die Hoffnung des Heiles“:
Diesen Helm legt aber derjenige an, der den Rosenkranz zur Hand nimmt, um ihn gläubig, andächtig, dem Sinn der Kirche entsprechend zu beten. Denn der Rosenkranz enthält nicht bloß alles, was wir glauben müssen, sondern auch alles, was wir hoffen dürfen. Er schlingt seine Rosen um die zwei heiligsten und teuersten Personen, die es für den Christen gibt, um Jesus und Maria. Von ihnen aber sagt der hl. Bernardus. „Unica spes mea Jesus, meine einzige Hoffnung ist Jesus, et post Jesum Maria, und nach Jesus Maria“. Für alle Fälle, in guten wie in schlimmen Tagen, im Leben wie im Sterben wende ich mich an meinen Erlöser; ich kann nicht glauben, daß derjenige, der die große trostreiche Einladung in den Jammer der Welt ergehen ließ: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“, nein, ich kann nicht glauben, daß er für mich kein Mitleid, kein Erbarmen, keine Verzeihung, daß ich zu seinem Liebe brennenden Herzen keinen Zutritt mehr habe, bei ihm keine Aufnahme mehr finde: unica spes mea Jesus, meine einzige Hoffnung ist Jesus! Aber sollte das Unmögliche möglich, sollte mir allein der Heiland nicht mehr der mitleidsvolle, erbarmende Erlöser, sondern nur noch der strenge Richter sein, der bereit steht, mir das schreckliche „Weiche von mir!“, mir das beschämende „Ich kenne dich nicht!“ zuzurufen, dann verzage ich immer noch nicht, dann nehme ich meinen Rosenkranz und wende mich vertrauensvoll an seine und meine Mutter, an Maria, um ihr zuzurufen:
Sieh mich armen, großen Sünder
Weinend dir zu Füßen knien;
Soll das Ärmste deiner Kinder
Ohn` Erbarmen von dir ziehn?
Hast, o Mutter, deinen Söhnen
Deine Hilfe je verneint?
Hat man jemals seine Tränen,
Mutter, dir umsonst geweint?
Nein, o Mutter, weit und breit
Schalt`s durch deiner Kinder Mitte,
Daß Maria eine Bitte
Nicht gewährt –
Ist unerhört,
Unerhört in Ewigkeit.
Und Maria müsste nicht mehr die Hilfe der Christen, nicht mehr die Zuflucht der Sünder, nicht mehr die liebe Mutter Gottes sein, wenn ich bei ihr keine Gnade fände: meine einzige Hoffnung ist Jesus, und nach Jesus Maria.
Ja, diese beiden hochheiligen Personen, die Mutter und den Sohn, die Allmacht im Erbitten und die Allmacht im Erhören, führt der Rosenkranz in seinen fünfzehn Geheimnissen 150 Mal am Auge unseres Geistes vorüber, freudenreich, schmerzenreich, glorreich, um unsere Hoffnung zu stärken, um uns Mut einzuflößen, um uns zur Gottesmutter und ihrem Kinde beten zu heißen:
O nimm der Brust die Sehnsucht nicht
Nach dir und deinem Kinde,
Du Herzenstrost, du Pilgerlicht,
Daß ich die Heimat finde!
Zu dir hinauf in Angst und Notwendige
Zieht all mein irdisch Sehnen,
Wie Blumen schaun zum Morgenrot
Tauschwer von nächt`gen Tränen.
Mich treibt die Welt, mir bangt vor schuld,
Mich engt so manches Wehe,
Sei du mein Schild, mein Helm und Huld
Mir, Mutter in der Höhe!
Solang mein Herz noch schlagen kann,
In Liebe dir soll`s schlagen,
Und muss es brechen einst, o dann
Magst du`s zum Richter tragen.
Ja nimm der Brust die Sehnsucht nicht
Nach dir und deinem Kinde,
Bis ich dereinst von Angesicht
Euch droben beide finde!
Im Rosenkranz also ergreifen wir den Helm des Heiles, die Hoffnung… So mancher Christ hat aber auch ein Anliegen, das auf eigenes oder fremdes Seelenheil sich bezieht und nicht von statten gehen will; so mancher Vater und so manche Mutter vermögen schon lange nichts mehr mit guten Worten bei dem nichtsnutzigen Sohn oder der leichtfertigen Tochter auszurichten; scharfe Zurechtweisung, ernste Züchtigung ist auch umsonst; die ganze Geschichte ist zum mutlos werden Was sollen denn aber solche Christen in ihrem anliegen anfangen?… ein jeder, der in irgend einer fatalen Lage steckt, aus der er keinen Ausweg sieht, bete, er bete – den Rosenkranz und hoffe. –
aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz, eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, I. Band, 1896, S. 36 – S. 40
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