Heiligenkalender
20. September
Der heilige Eustachius und seine Familie Märtyrer
Der hl. Eustachius ist einer der vierzehn Nothelfer und wurde immer, besonders im Mittelalter, hoch gefeiert. Vor seiner Bekehrung hieß er Placidus, war Offizier in der Armee der Kaiser Titus und Vespasian, tat Wunder der Tapferkeit im Kriege wider die Juden und die Dacier, kehrte mit dem triumphierenden Heer nach Rom zurück wurde für seine Verdienste zum Feldherrn ernannt. So furchtbar er in der Schlacht das Schwert handhabte, so milde und sanft war er im Umgang, so sittenrein und edel in seinem Lebenswandel, so wohltätig gegen die Armen und hilfreich gegen Bedrängte. Er ehelichte in Rom die seiner würdige Trajana, eine sehr schöne und reiche Dame, die ihm mit zwei holden Knaben beglückte.
Während der Friedenszeit liebte Placidus die Vergnügen der Jagd. Einst stieß er mit seinem Gefolge auf ein Rudel Hirsche, unter denen sich einer durch seine stattliche Größe hervor tat. Gerade diesen verfolgte Placidus tief in den Wald hinein, während seine Kameraden den andern nachjagten und so sich von ihm trennten. Der Hirsch sprang auf einen Felsen, kehrte sich dem Placidus zu, und in demselben Augenblick glänzte wundersam zwischen dem hohen Geweih ein Kreuz mit dem Bild des Welterlösers, der dem Verfolger zurief: „Placidus, warum jagst du Mir nach? Glaube an Mich, der Ich Christus bin und lange dich aufgesucht habe. Weil du Almosen spendest und Barmherzigkeit übest, will Ich dir auch barmherzig sein. Gehe in die Stadt zum Bischof der Christen und lasse dich mit deiner Familie taufen; dann komm wieder hierher, und Ich werde dir sagen, was du tun sollst.“
Als Placidus spät nach Hause kam und der Gattin sein Erlebnis erzählte, war sie ganz erstaunt und sagte: „Soeben ist mir ein freundlicher Mann erschienen mit einem strahlenden Kreuz in der Hand und sprach: ‚Heute noch wird dein, deines Mannes und deiner Söhne Name in das Buch des Lebens eingeschrieben.’“ – In derselben Nacht noch gingen sie zum Papst, der sie unterrichtete und taufte. Der Vater hieß nun Eustachius, die Mutter Theopista, die Söhne Agapitus und Theopistus.
In der Frühe des andern Tages eilte Eustachius in den Wald zu dem Felsen der Erscheinung und betete kniend: „Herr, voll Freude und Dank glaube ich, daß Du Christus bist, der Sohn des lebendigen Gottes. Verkünde mir deinen hl. Willen.“ Der Herr antwortete ihm: „Selig bist du, Eustachius, daß du durch dem Empfang der Taufe den Satan besiegt hast. Bewähre nun deinen Glauben in guten Werken; du wirst Vieles erdulden, wirst die zeitlichen Güter verlieren, aber ewige dir dafür gewinnen; streite wacker für Mich, wie du für den Kaiser gekämpft hast. Meine Gnade ist mit dir und den Deinen.“ „Herr, dein Wille geschehe“, antwortete der Feldherr.
Bald begann der furchtbare Kampf. In der Stadt tötete eine Seuche ihm die ganze Dienerschaft und das Vieh; auf das Land flüchtend, wurde er von Räubern bis auf`s nackte Leben ausgeplündert; die Armut und das herzlose Gespött der Menschen nötigten ihn, mit Frau und Kind in der Fremde sich Brot zu suchen; alles Irdische war verloren, nur an Gottvertrauen waren er und die Seinigen noch reich. Er schiffte nach Ägypten. Als er aber bei der Landung den Fahrlohn nicht bezahlen konnte, versprach er, denselben mit dem ersten verdienten Geld zu bezahlen; der Kapitän aber entriß ihm seine Frau und führte sie mit sich fort. Herzbrechend war sein Schmerz, die teure Gattin so zu verlieren: doch musste er diesen bittersten Kelch trinken und mit den zwei Knaben weiter gehen. Er kam zu einem weiten, seichten Gewässer, trug den einen Sohn auf dem Rücken hinüber und eilte zurück, um den andern zu holen; aber in der Mitte des Weges hatte er den entsetzlichen Schmerz zu sehen, wie das eine Kind ein Löwe, das andere ein Wolf davon trug, ohne daß sein Arm sie retten konnte. Gott rettete sie durch Jäger, welche sie den Bestien unversehrt entrissen und auferzogen. Des Eustachius Herz litt Unbeschreibliches: mit nassem Auge und gebrochenem Herzen seufzte er. „O gekreuzigter Jesu, erbarme Dich meiner und der Meinen. Dein heiliger Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden! Meine Schmerzen sind groß, aber deine Liebe und Barmherzigkeit ist noch größer!“ – So kam er in den Flecken Badyssus, verdingte sich als Knecht bei einem Bauer und diente ihm mit tadelloser Treue fünfzehn Jahre betend und arbeitend.
Inzwischen verwüsteten barbarische Völker das römische Asien. Kaiser Trajan kämpfte ohne Erfolg wider sie, vermißte schmerzlich den in diesen Kriegen stets siegreichen Placidus und ließ überall im Reiche nach ihm forschen. Endlich erkannten zwei alte Soldaten in dem Knecht Eustachius an der Stirnnarbe ihren geliebten Feldherrn und führten ihn zum Kaiser, der ihn wieder mit Freude an die Spitze der Armee stellte. – Des Eustachius Talent und Glücksstern leuchtete wieder in frischem Glanz auf dem Schlachtfeld, in raschen Siegen jagte er die Feinde aus dem Reich hinaus und trat mit der Ruhm gekrönten Armee den Rückmarsch an.
Am ersten Rasttage geschah es, daß zwei junge Offiziere, die sich in diesem Kriege ihre Beförderung und Auszeichnung erkämpft hatten, in ein und dasselbe Quartier kamen. Sie plauderten in Gegenwart ihrer Aufwärterin von ihren Erlebnissen. Die Erzählung de seine n, wie seine Eltern in Rom großes Unglück gehabt, nach Ägypten sich eingeschifft hätten, wie er dort seine Mutter, später den Vater verloren habe und aus dem Rachen eines Löwen gerettet worden sei, erregte die Aufmerksamkeit des andern: sie erkannten sich als Brüder und küßten sich in seliger Freude. Die Wärterin stieß einen lauten Schrei des Entzückens aus und jubelte mit Tränen in den Augen: „O, wenn ihr Brüder seid, wenn ihr Agapitus und Theopistus heißet, dann bin ich Theopista, eure Mutter!“ Das war ein freudiges Wiedersehen! Der Gastwirt, welcher diese Wärterin als Sklavin gekauft hatte, nahm herzlichen Anteil an ihrem Glück und erklärte, daß er der Theopista, so hoch er sie schätze, unentgeltlich die Freiheit schenke. Die überglückliche Mutter eilte in ihrer Freude zum Feldherrn, sich die Gnade zu erbitten, daß sie ihre zwei Söhne mit der Armee nach Rom begleiten dürfe. Wie sie demütig ihre Bitte vortrug, erkannte Eustachius sogleich die Stimme seiner geliebten Gattin, schloß sie stumm vor Freude in die Arme und küßte sie, und beide knieten nieder, Gottes Güte zu loben und zu preisen. Theopista erzählte ihm, wie der Schiffskapitän in dem Augenblick, als er ihr Gewalt antun wollte, tot nieder sank, wie die Matrosen sie sogleich als Sklavin hierher verkauft haben, und sie durch den Schutz des Allmächtigen immer unversehrt geblieben sei. Nun eilten die glücklichen Eltern zur Umarmung ihrer Söhne und reisten weiter nach Rom.
Kaiser Trajan war gestorben; sein Nachfolger Hadrian empfing den siegreichen Eustachius mit den höchsten Ehren. Den Göttern sollte ein Dankopfer gebracht werden. Eustachius verweigerte seine Teilnahme mit der Erklärung: „Ich bin ein Christ.“ Dieses Bekenntnis machte den Kaiser wütend. Sogleich ließ er dem Eustachius die kostbare Feldherrn-Rüstung vom Leibe reißen und ihn mit seiner Familie den Löwen vorwerfen; aber die Tiere beschämten den undankbaren Hadrian und taten ihnen nichts zu Leide. Knirschend vor Ingrimm befahl der Tyrann, daß der eherne Ochs glühend gemacht und Eustachius mit den Seinen in demselben hinein geworfen und zu Tode gemartert werde.
Während dessen knieten die Eltern und Kinder auf die Erde hin, beteten zu Gott um Stärke zur Vollendung dieses Opfers und ließen sich freudig in den weißglühenden Ochsen werfen. Sie fanden darin den glorreichen Martertod, aber wunderbarer Weise wurde ihnen kein Härlein versengt noch die Haut gebräunt. Die Christen kauften ihre heiligen Leiber, verehrten sie hoch und erbauten später, sobald es geschehen durfte, eine prachtvolle Kirche über ihrer Grabstätte. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 697 – S. 699