Das Kreuz der Baum des Lebens

Aufgeschaut und auf Gott vertraut: vor diesem Hintergrund ein Wegkreuz

Das Kreuz ist der Baum des Lebens

Das Kreuz ist darum auch dem Christen der Baum des Lebens. Der Feigenbaum hat die Eigenart, daß er, wo er sich seines richtigen Klimas und Wetters erfreut, ununterbrochen Früchte anhängen hat. Noch sind die ersten Feigen nicht reif, so treibt er schon wieder eine junge Ernte nach, und macht so fort, ohne über dem Feigenbringen müde zu werden. Es gibt aber einen Baum, – freilich haben ihm die Naturforscher noch nicht beschrieben, wohl aber der hl. Johannes, der Lieblingsjünger – der es mit dem Früchtebringen noch schöner hält als der Feigenbaum: er steht mitten in der wundervollen Stadt Gottes, dem neuen Jerusalem, das vom Himmel auf die Erde herab gestiegen ist, und hat allezeit zeitige Früchte an, indem er zwölfmal im Jahr Früchte trägt, alle Monat seine Frucht; sogar seine Blätter sind Arznei. Dieser Baum heißt Baum des Lebens. Wie beneidenswert sind also jene, die von diesem Baum die Früchte holen können: sie sind Leben spendend! Diese Beneidenswerten sind aber alle katholischen Christen; denn dieser Baum des Lebens heißt mit seinem wahren Namen – das Kreuz, und die Stadt Gottes, worin er steht, ist unsere heilige, katholische Kirche. Wie glücklich also sind wir katholische Christen, daß wir den Baum des Lebens, daß wir das Kreuz besitzen, denn non est salus animae, nirgends findet sich das Heil der Seele, nec spes vitae aeternae, noch Hoffnung aufs ewige Leben, nisi in cruce, außer im Kreuz.

… und der Ruheplatz auf der Pilgerreise zum Himmel

Das Kreuz ist dem Christen ein Ruheplatz auf der Pilgerreise zum Himmel. Es gibt für das abgehärmte, Leid gequälte Menschen Herz drei geistige Ruheplätze, wo es ein wenig „Atem schöpfen“ und rasten kann: das göttliche Herz Jesu, das Mutterherz Mariä und der Fuß des Kreuzes. Wie ist denn aber der Fuß des Kreuzes ein Ruheplatz? In der städtischen Bildergalerie zu Düsseldorf hängt ein Bild, das niemand ohne Rührung betrachten kann. Es stellt mitten im Winter ein Kreuz am Wege vor, an das ein armes Kind, das gewiß schon weit durch Schnee und Kälte gewandert ist, den Kopf anlehnt und vor Müdigkeit einschläft, sein Reisebündel neben sich. Aus der Stadt her kommen, in gute Kleider gehüllt, Kinder aus der Schule und schauen der kleinen Pilgerin zu, wie sie beim lieben Herrgott am Kreuz trotz Winters so süß und ruhig schläft. Vom vielen Wandern ist aber vielleicht schon mancher müde, recht müde, denn sein Weg führte ihn immer nur an Mühen, Sorgen und Leiden, selten an erheiternden Freuden vorüber; dabei ist ihm aber gar manchmal zu Mute, wie jenem wandernden Handwerks-Burschen, der an die Wand einer am Waldessaum stehenden Kapelle auf der Rauhen Alp die Verse schrieb:

Alle Morgen neue Sorgen,
Alle Nacht ein andres Bett!
Ach, wenn nur dies lange Wandernden
Auch einmal ein Ende hätt`

Daher mag ihm ein Ruheplätzchen sehr willkommen sein, wo er auf seiner Pilgerreise ein wenig Rast halten, ein wenig ausruhen kann. Zum Ausruhen von all den Mühen und Sorgen und Leiden aber, die sich dem Christen Tag für Tag auf seinem Lebensweg entgegen stellen, gibt es kein besseres Plätzchen, als am Fuß des Kreuzes. Machen wir es also, wie jenes Kind auf dem Düsseldorfer Bild, stellen wir, wenn wir müde sind, unser ganzes großes Reisebündel von lästigen Sorgen und Kümmernissen beiseite, lehnen wir unsern ruhelosen Kopf an das Kreuz, und schlummern wir – trotz Winter oder Sommer in der Seele, trotz Regen oder Sonnenschein im Gemüt, – unter den Augen des gekreuzigten Erlösers ruhig ein. Und hast du ausgeruht am Fuße des Kreuzes, du mühseliges und beladenes herz, und hast du dich satt gesehen am Leiden deines Heilandes, an seinem Dornen gekrönten Haupt, seinem Blut überronnenen Antlitz, seinem durchstochenen Herzen, seinen durchnagelten Händen und Füßen, dann mache dich wieder auf und wandre in Gottes Namen – geduldig, beharrlich und ergeben deinen Kreuzweg weiter über den Kalvarienberg des Lebens – dem Himmel zu, indem du dir selber von Zeit zu Zeit zurufest:

Sei still, mein Herz, und fasse Mut:
O sieh am Kreuz den Herrn!
Er kennt dein Weh und meint es gut,
Trag` du dein Kreuz auch gern!

aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz, eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, I. Band, 1896, S. 105 -S. 107

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