Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Höllenfahrt Christi
Höllenfahrt Christi, das Hingehen der vom Leib im Tod getrennten Seele Jesu in das Reich der abgeschiedenen Seelen.
I. Diese zunächst natürliche Wahrheit wird als Tatsache schon von den ältesten Vätern (Ignatius, Ad Amgn. 9, 2; Hermas, Sim. 9, 16, 5; Justin, Dial. 72 99 u.a.), aber auch von Häretikern des 2. Jahrhunderts (Marcion) und in neutestamentlichen Apokryphen (z. B. Oden Salomos 42) bezeugt. Sie fand im Orient Aufnahme in die arianische Symbole von Sirmium (358), Nike (359) und Konstantinopel (359), im Abendland anfangs des 4. Jahrhunderts ins Apostolische Symbol (Aquileja), dann ins Athanasianum, und stand um 800 in allen Formen des Apostolischen Symbols, ist also Dogma. Die Väter fanden die Höllenfahrt Christi schon in den Hl. Schriften (Os. 13, 14; Ps. 15, 10; Eph. 4, 9; bes. 1. Petr. 3, 19; 4, 6) angezeigt. Doch müssen diese stellen wegen ihrer Dunkelheit ausscheiden; deutlicher ist die Höllenfahrt bei Mt. 12, 40; 27, 52f; Röm. 10, 7 und besonders Apg. 2, 27-31 bezeugt. Seit Athanasius lehren die Väter und Theologen ausdrücklich, daß bei der Höllenfahrt mit der Seele die Gottheit (der Logos) verbunden blieb. Im Mittelalter ward die Höllenfahrt nur vereinzelt bezweifelt. Die Synode von Sens 1140 verwarf als These Abaelard`s den Satz nicht die Substanz der Seele Christi, sondern nur ihre Macht sei in die Unterwelt gestiegen (Denzinger 385; vgl. Kap. Firmiter des 4. Laterankonzils v. 1215; Denzinger 429) Die Glaubens-Neuerer leugneten zunächst die Tatsache nicht, ihre Nachfolger sprachen ihr jedoch die praktische Bedeutung ab; in manchen reformierten Bekenntnissen wird sie faktisch geleugnet. – Neuerdings wird der Glaube an die Höllenfahrt Christi als Erzeugnis heidnischer (ägyptischer, babylonischer, hellenistischer, indischer) Mythologie und Sagen betrachtet. Allein der urchristliche Glaube hat seine natürliche Voraussetzung in den spätjüdischen Anschauungen vom Zwischenzustand zwischen Tod und Auferstehung und seine übernatürliche Quelle in der den Aposteln gewordenen Offenbarung.
II. Über die Bedeutung der Höllenfahrt Christi dachten die Väter verschieden: die einen (Justin, Klemens Aelx., Origenes, Hippolyt, Laktanz u.a.) glaubten, Jesu Seele habe auch in der Unterwelt ihre irdische Heilspredigt fortgesetzt und alle Heilsbegierigen dort erlöst; die Mehrzahl jedoch glaubte, Jesus habe dort nur eine Tat der Befreiung aus der Gewalt Satans vollbracht, und zwar nur zu Gunsten der Gerechten des alten Bundes. Letzterer Glaube ist nun allgemein, wenn auch nicht formuliertes Dogma. Seit Gregor d. Gr. Lehren die Theologen allgemein, die bereiten Seelen seien durch die Höllenfahrt Christi zwar der Gottschauung teilhaftig, aber erst bei der Himmelfahrt Christi in den Himmel aufgenommen worden. Das Ziel der Höllenfahrt Christi, das bei den Vätern allgemein infernum hieß, erhielt durch die mittelalterliche Theologie, gemäß ihrer Anschauung von der Hölle, den Namen Vorhölle oder Limbus patrum (auch sinus Abrahae).
III. Die Höllenfahrt Jesu wurde auch von der Kunst häufig dargestellt, in Dichtung, Malerei und Spiel, bald als Predigt Jesu in der Hölle, bald als Sieg über Satan und als Befreiungstat.
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, S. 119-120