Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Johanna Maria vom Kreuz
Johanna Maria vom Kreuz (Giovanna M. della Croce, der Welt: Bernardina Floriani), ehrw., Klarissin, * 8.12.1603 zu Roveredo, † 26.3.1673 ebd. (Grab in San Carlo); widmete sich schon von Jugend auf dem Gebet, dem Unterricht und der Erziehung armer Kinder und ausgebreiteter Liebestätigkeit an Armen und Kranken. 1646 erhielt sie die päpstliche Erlaubnis zur Gründung eines Klarissenklosters in Roveredo, wo sie später Äbtissin wurde. 1668 gründete sie ein2. Kloster zu Borgo (päpstliche Breven für die beiden Klöster bei Greiderer II 509/16). Unter vielen Seelenleiden und äußeren Schwierigkeiten ward sie, unter Leitung der Franziskaner, zu den höchsten Stufen mystischen Gnadenlebens erhoben und übte einen großen Einfluss auf ihre Umgebung und selbst in politischen Angelegenheiten aus. Ihr Seligsprechungs-Prozess kam wegen ungünstiger Zeitverhältnisse ins Stocken. 15 Bde ihrer aszetischen Schriften und biographischen Aufzeichnungen, meistens ungedruckt, sind erhalten. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, Sp. 458
Johanna Maria vom Kreuz … ward am 8. Dezember 1603 zu Roveredo in Tirol von gottesfürchtigen Eltern geboren und ward nebst ihren fünf Geschwistern christlich auferzogen. Nachdem sie von Kindheit an in der Abtötung und im innerlichen Gebet sich geübt hatte, legte sie mit 14 Jahren das Gelübde der Keuschheit ab und lebte dann ein ganzes Jahr in beständigem Kampf mit der Welt in ihr selber, bis endlich die Gnade ihr zum vollen Siege verhalf. Durch Lesung und Betrachtung der heiligen Schrift in italienischer Sprache gewann sie vorzügliche Kenntnis der geoffenbarten Wahrheit. Bald aber ward der Gekreuzigte ihr voller Ersatz für alle Bücher und Bilder. Unter Leitung des geistreichen Kapuziners Frau Tommaso, der sie zum Grundstein eines Klarissen-Klosters in Roveredo ausersehen, erneuerte sie das Gelübde der Keuschheit und ward darnach im innern Leben außerordentlich gefördert. Die Leute hielten sie für dämonisch, und selbst ihre Mutter war darüber tief bekümmert. Sie aber übernahm den Unterricht der Kinder, welche ihre Mutter nach des Vaters Tod in einer Schule versammelt hatte, um dadurch das tägliche Brot zu verdienen. Von den Kindern innigst geliebt, lehrte sie dieselben nebst Lesen und schreiben ganz besonders den Gesang geistlicher Lieder. Bald gewann sie einen großen Einfluss auf die gesamte weibliche Bevölkerung der Stadt. Armen älteren Frauen errichtete sie Wärmestuben und verschaffte ihnen Arbeit. Von den vornehmsten Damen wurde sie in wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen und in ihrer Liebetätigkeit für die Armen reichlich unterstützt. Man berief sie vielfältig zu Kranken; sie tröstete dieselben und heilte sie durch ihr Gebet. Den zum Tode Verurteilten erflehte sie vom Herrn die Gnade der Bekehrung. Zur Bekämpfung des Luxus und zur Förderung des gemeinschaftlichen Gebetes gründete sie Frauenvereine; diese breiteten sich bald auf dem Land und in der ganzenUmgegend bis Trient aus. Hierauf errichtete sie ein Regelhaus, San Carlo genannt, in dem sie in Gemeinschaft mit mehreren frommen Jungfrauen ein ganz armes Leben führte, unablässig geistliche und leibliche Werke der Barmherzigkeit übend. Ihre Beichtväter waren die seeleneifrigen Kapuziner, von denen mehrere aus Italien nach Deutschland gezogen waren, um die deutschen Katholiken vor dem Abfall zu bewahren und die Irregeführten zu bekehren; neben diesen die streng reformierten Franziskaner, die in Roveredo ein Kloster hatten.
Auf Befehl dieser Geistesmänner begann sie 1637, ihre Erfahrungen im inneren Leben aufzuschreiben. Das Original dieser Schriften wird in Roveredo aufbewahrt; eine Abschrift davon ist beim Ordinariat in Trient. Sie enthalten teils aszetische Abhandlungen, teils Aufzeichnungen über ihr Leben. Diese Schriften wurden in vielen Abschriften verbreitet und von Hohen und Niederen gelesen. Ein ganzes Jahr lang befaßte man sich im Ordinariat zu Trient mit Untersuchung derselben. Endlich wurden sie als unverfänglich und rechtgläubig erklärt und die Verfasserin derselben gegen weitere Anfeindung in Schutz genommen. Das ganze Jahr hindurch war sie mit ihren Gefährtinnen hart bedrängt gewesen. Jetzt holten sich die angesehensten Männer von ferne und in der Nähe Rat bei ihr und empfahlen sich ihrem Gebet. Selbst die Regentin des Landes, die Erzherzogin Claudia, nahm zu ihr häufig ihre Zuflucht. Endlich erhielt sie im Jahre 1646 die lang ersehnte päpstliche Erlaubnis zur Gründung eines Klarissinnen-Klosters in Roveredo. Im Jahre 1650 übergab Johanna das höchst mühevoll zu Stande gebrachte Haus, in welchem sie bisher gewirkt, zwei Lehrfrauen, die aus dem Kloster in Brixen berufen waren, und trat mit der ganzen bisher von ihr geleiteten Genossenschaft ins Noviziat ein. Nach einem äußerst peinvollen Probejahr erfreute sie sich wieder besonderer Tröstungen und Gnaden, gewann noch größeres Vertrauen in den weitesten Kreisen und ward gleichsam die tonangebende Macht des Magistratsrates. Nach Rückkehr der beiden Lehrfrauen in ihr Kloster musste sie das Amt der Äbtissin übernehmen.
Darauf ward sie in geheimnisvoller Weise mit dem Heiland vermählt, empfing seine Wundmale, gewann den Blick ins Innerste des Menschen und in die Zukunft, wirkte wunderbarer Heilungen, erteilte Rat und Weisung an die oberste Feldherren des kaiserlichen Heeres, blieb fortwährend ins christlichem Verkehr mit Kaiser Leopold I., erteilte ihm heilsamen Rat gegen die ungarischen Rebellen und gegen das zum Krieg sich rüstende treulose Frankreich. Den bayerischen Prinzen Max Heinrich, der als Kurfürst von Köln sie auf seiner Reise nach Rom besuchte, warnte sie vor Sonderverträgen mit Frankreich zur Gefährdung Deutschlands, und dem Kurfürsten von Bayern gab sie heilsame Ratschläge. Alle, die ihren Rat befolgten, wurden vor Unheil bewahrt. Durch sie wurde Tirol eine Schutzmauer der katholischen Kirche. Zum Abschluss ihres Lebens gründete sie noch ein Klarissinnen-Kloster in Borgo, das am 11. Oktober 1672 feierlich eingeweiht wurde, und am 26. März 1673 übergab sie ihre hoch begnadigte Seele in die Hände ihres Schöpfers, allgemein als „Dienerin Gottes“ gepriesen. Wie im Leben, so ward sie auch nach ihrem Tode um ihre Fürbitte angerufen und durch viele Wunder an ihrem Grab verherrlicht. Der Beatifikations-Prozess wurde eingeleitet, ihre Schriften, 15 Bände, wurden auf`s Neue untersucht und bestätigt, und niemand zweifelte an dem glücklichen Erfolg. Allein die Sache verzögerte sich. Mit der von Joseph II. am 25 Februar 1782 befohlenen Unterdrückung aller Klarissinnen-Klöster wurden auch die von ihr gegründeten zerstört, und die Beatifikation unterblieb bis auf den heutigen Tag. (Vgl. Beda Weber, Johanna Maria vom Kreuz, 2. Aufl., Regensb. 1858; Görres, Christliche Mystik II, 418. 463)
Von der Vorgenannten zu unterscheiden ist die spanische Tertiarin Johanna vom Kreuz, eine besondere Verehrerin des heiligen Kreuzes. Sie wurde am Fest von Kreuzauffindung (3. Mai) 1481 zu Azana geboren, trat am 3. Mai 1496 ins Kloster U. L. Frau vom Kreuz zu Cubas bei Madrid ein, wurde am 3. Mai 1509 zur Äbtissin erwählt und starb am3. Mai 1534 im Rufe der Heiligkeit. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 1516 – Sp. 1518