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Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Rautenstrauch

Rautenstrauch, Franz Stephan, OSB, josephinischer Erneuerer des österreichischen theologischen Unterrichtes, * 29.7.1734 zu Blottendorf (Bez. Böhm.-Leipa), † 30.9.1785 zu Erlau (Ungarn). 1750 Benediktiner von Brevnov-Braunau, Professor der Philosophie und des Kirchenrechts in Prag, 1773 zum Abt gewählt, 1774 Dr. theol., wurde er infolge seines staatskirchlichen Prolegomena in jus eccl. (Prag 1769; trotz Verbotes des Erzbischofs von Prag 1774 neu gedruckt) zum theologischen Studiendirektor in Prag ernannt und mit der Ausarbeitung des Organisationsplanes für die theologischen Schulen in den kaiserlichen Erblanden (fertig gestellt 1782, in Geltung bis 1857) und für die Errichtung von Generalseminarien (fertig gestellt 1783) betraut und übte dann als theologischer Studiendirektor in Wien, Hofrat bei der vereinigten böhmischen Hofkanzlei und Präsident der Hofkommission in Kultussachen eine rastlose, umfassende Organisations-Tätigkeit aus, daneben vielseitig schriftstellerisch tätig. Besonders einflußreich wurde seine Synopsis juris publici et privati (Wien 1776) für die kaiserliche Erblande, die in 253 Thesen zusammen gezogen durch Hofdekret vom 5.10.1776 den offiziellen Lehrstoff (bis 1836) bildete. Andere Schriften: Institutiones jur. Eccl. usibus Germaniae accomodatae (Prag 1769 u. 1774; von der erweiterten Ausgabe (jus publicum) ist nur Bd. I (1772) erschienen); Anleitung der systematischen dogmatischen Theologie (Wien 1774); Institutionum hermeneut. Veteris Testamenti Skiagraphia (ebd. 1775); Tabellar. Grundriß der in deutscher Sprache vorzutragenden Pastoraltheologie (ebd. 1777); Theol. Pastoralis et polemicae delineatio (1778); patrologiae conspectus (1786). –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VIII, 1936, Sp. 657 – Sp. 658

Nach erlangter Priesterweihe wurde er zum Lehramt verwendet. Zuerst trug er Philosophie, dann kanonisches Recht vor. Im letzteren Fach versuchte er sich bald als Schriftsteller, indem er Prolegomena in jus ecclesiasticum, Pragae 1769, herausgab. Schon der Titel dieses Buches (in jus ecclesiasticum) war eine Ironie; denn von irgend einem Recht der Kirche war darin kaum eine Rede. Daher war es kein Wunder, daß der damalige Erzbischof von Prag, Graf Anton Peter Přichowsky, auf Verbot und gänzliche Unterdrückung des Buches drang. In den weltlichen hohen Kreisen dachte man anders. Das Buch Rautenstrauchs fand an dem Direktor des juridischen Studiums und nachmaligen Hofrat Wenzel Stephan von Kronenfels einen so energischen Verteidiger, daß nicht nur Verbot und gänzliche Beseitigung des Werkes unterblieb, sondern Rautenstrauch, als Verfasser desselben, mit der goldenen Medaille ausgezeichnet und der Erzbischof beauftragt wurde, ihm dieses Zeichen der allerhöchsten Gnade seiner Kaiserin feierlich umzuhängen, ja ihm sogar mitzuteilen, „daß Ihre Majestät die Kaiserin es gerne sähen, wenn Rautenstrauch die ganze Zustandebringung seines Werkes sich nach Möglichkeit angelegen sein ließe“.

Auf allen (…) Posten entwickelte Rautenstrauch, besonders unter Kaiser Joseph II., eine fieberhafte Tätigkeit und einen unermüdlichen Eifer für die Intentionen seines Monarchen. Im Jahre 1785 unternahm er auf Befehl dieses Kaisers in Angelegenheiten seines Ordens eine Reise nach Ungarn, organisierte auch dort die theologischen Studien, erkrankte aber mitten in seiner Arbeit und starb, 51 Jahre alt, am 30. September desselben Jahres zu Erlau. –

Die oben erwähnte Synopsis wurde, in 253 Thesen zusammen gefaßt, durch Hofdekret vom 5. Oktober 1776 überall als Lehrbuch vorgeschrieben. Seb. Brunner (Die theologische Dienerschaft am Hofe Josephs II., Wien 1868, 322) fällt über das Werk folgendes Urteil: „Es sollte dieses Kirchenrecht mit den verquickten und verzwickten Staats- und Rechtsanschauungen der ganzen Periode harmonieren; die Kirche sollte nach demselben dem sogenannten ‘höchsten Staatszweck’ als eine Art polizeilicher Anstalt ganz und gar unterworfen werden.“ Eine Anzahl von Schriften aber, welche sonst noch diesem Theologen zugeschrieben werden, gehören einem andern gleichnamigen an, mit dem er auch sonst verwechselt wird.

Rautenstrauch, Johann, antikirchlicher Pamphletist, war am 10. Januar 1746 zu Erlangen geboren und kam frühzeitig nach Wien. Er war, wie Seb. Brunner (Die theol. Dienerschaft 348) schreibt, „Protestant, wurde aber unter Maria Theresia Katholik, Bezog von da an ein Jahresgehalt wegen seiner Bekehrung und fing unter Josephs Regierung an als einer der heftigsten Gegner der Kirche aufzutreten“. Rautenstrauch war Lizentiat der Rechte, Hofagent und Verfasser zahlreicher Flugschriften. Großes Aufsehen erregte er zunächst mit seiner im Jahre 1782 herausgegebenen „Vorstellung an Papst Pius VI.“, die er nach einem Manuskript Dulauriers bearbeitet haben wollte. In derselben wird der Papst aufgefordert, jede Glaubenstyrannei wie jeden Unglauben zu verbannen, alle Kontroverspunkte zu streichen, um einen vernünftigen philosophischen Glauben zu gründen und die Getrennten zu einigen; für seine Person aber solle sich Pius alles weltlichen Ansehens, aller zeitlichen Macht und Herrschaft willig begeben, weil der Besitz solcher Dinge von Christo förmlich verboten sei: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. – Von den zahlreichen übrigen Flugschriften dieser Art sollen hier nur noch zwei angeführt werden. Die erstere führt den Titel: „Warum kommt Pius VI. mach Wien?“ in der weitläufigen Antwort sagt Rautenstrauch unter Anderem: „Die Güter des Klerus für ein Eigentum Gottes zu betrachten, sei ein falscher Grundsatz. Überhaupt sei es wunderlich, all Geschenke, welche Päpste, Bischöfe und Klöster zu erschleichen wußten, für unverletzliche Dinge zu erklären… Der Kaiser disponiere nur über die in seinen Staaten gelegenen Güter, damit der rechte Gebrauch davon gemacht würde“ usw. Das zweite giftige Pamphlet stammt aus dem Jahre 1784 – mit dem angeblichen Druckort Philadelphia – und ist gegen die Jesuiten gerichtet; es hat den Titel „Das Jesuitengift, wie es unter Clemens XIII. entdeckt, unter Clemens XIV. unterdrückt, und unter Pius VI. noch fortschleicht, oder der Jesuit in fünferlei Gestalten“. Joh. Rautenstrauch starb 1810. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 10, 1897, Sp. 818 – Sp. 820

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