Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Exorzismus
Exorzismus (Beschwörung), vom ursprünglichen = die Dämonen herbei rufen, christlich umgebildet = Dämon abwehren, ein im Namen Gottes (Jesu) an den Teufel gerichteter Befehl, Menschen oder Gegenstände zu verlassen bzw. sich eines schädigenden Einflusses auf sie zu enthalten. Der Exorzismus hat seine Voraussetzung in den Folgen des Sündenfalls (dämonische Einflüsse auf die Menschen und die unter dem „Fluch“ Gottes stehende Erde). Die Vollmacht zur Vornahme des Exorzismus leitet die Kirche ab vom Auftrag Christi und dem Beispiel der Apostel (Mk. 1, 25 _ Lk. 4, 35; Mk. 16, 17). Demnach wurde der Exorzismus zunächst an eigentlichen Besessenen vorgenommenen (Energumenen). Als ursprünglich charismatische Gabe, die jedem Christen zukommen konnte, wird der Exorzismus spätestens gegen das 3. Jahrhundert amtliche, einem besonderen Ordo anvertraute Handlung und Befugnis (Exorzistat). Da infolge der Sünde der Teufel über alle Menschen, besonders über die noch unter der Erbsünde und ihren Folgen stehenden Nichtgetauften, Einfluss hat und ausübt, so erscheint seit dem 3. Jahrhundert (Cyprian, nicht erst seit Augustin) auch ein Exorzismus für Katechumenen und Täuflinge (Tauf-Exorzismus) aus dem Heidentum. Er wurde vorgenommen durch sinnbildliche Handlungen (Aushauchen, Ausspucken nach Westen, Wegstoßen, Handausstrecken, Handauflegung, Kreuzzeichen) und durch Worte (Anrufung des Namens Jesu, oft mit Lesungen aus der Schrift, Verfluchung des bösen Feindes, Gebot zu weichen usw.). Noch jetzt ist der 3fache Exorzismus im Ritus der Kindertaufe ein Überrest des Exorzismus, der vorgenommen wurde bei der Aufnahme ins Katechumenat und bei der Taufe. Einen feierlichen Exorzismus in 11 Teilen, die aus der seinerzeitigen wiederholten vornahme des Exorzismus zu erklären sind, hat das Rituale Romanum (II 4) auch heute noch für die Taufe Erwachsener. Auch der griechische und slawische Ritus übt bei der Taufe (…) einen 3fachen Exorzismus; in einfacherer Form hat ihn der koptische, äthiopische, maronitische, jakobitische und armenische Taufritus, gar nicht dagegen der nestorianische (A. Staerk, Der Taufritus in der griech.-russ. Kirche (1903) 22ff; J. Goar, Euchologion (Venedig 1730) 274ff). –
Außerhalb der Taufe wird im römischen Ritus der sogenannte kleine Exorzismus für circumsessi und üfr Sachen angewandt, so bei der Weihwasser- und Salzweihe, bei der Weihe der hl. Öle am Gründonnerstag, die schon im Sacramentarium Gelasianum vorkommt., dann der sog. Exorzismus Leonis, d.i. die seit Leo XIII. nach den Muttergottes-Gebeten nach der hl. Messe vorgeschriebene Anrufung des hl. Michael (Beringer I, 303/05). Der große Exorzismus an wirklich Besessenen (vgl. CIC can. 1151/53) darf nach der weitläufigen, auch kulturhistorisch interessanten Anweisung des Rituale Rom. Tit. XI, c. 1, n. 1/21 nur nach etwa sorgfältigster Prüfung, ob Besessenheit und nicht etwa ein anormaler Zustand des leiblichen Organismus vorliegt, und (bei Strafe der Suspension) nur mit ausdrücklicher, schriftlich erteilter Erlaubnis des Bischofs vorgenommen werden, und zwar in der Kirche oder an einem andern religiösen oder ehrbaren Ort, im Hause nur an Kranken. Der im Laufe des Mittelalters breit ausgebaute Ritus findet sich seinem Wesen nach im Alkuinschen Anhang zum Sacramentarium Gregorianum. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, Sp. 914 – Sp. 915