Christus der barmherzige Samariter

Christus der barmherzige Samariter: Gemälde von Rembrandt

Die liturgische Messfeier des zwölften Sonntags nach Pfingsten

Christus der barmherzige Samariter (Samaritan) (Lk. 10, 23-37)

1. „Selig die Augen, die sehen, was ihr sehet; denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.“ Hier die Menschheit des Neuen Bundes, wir Christen, die wir heute zur Opferfeier gekommen sind: „Selig die Augen, die sehen, was ihr seht!“ Dort die „vielen Propheten und Könige“, die Menschheit des Alten Bundes, die Menschen der Zeit vor und ohne Christus.

So stellt uns die Liturgie des heutigen Sonntags wieder in den Glanz des Ostergeheimnisses hinein: sie enthüllt uns das Glück der Zugehörigkeit zu Christus und Seinem Reich, das uns in der heiligen Taufe geworden, und erinnert uns an die Pflichten, die wir in dem Empfang der heiligen Taufe auf uns genommen.

2. In der heiligen Osternacht haben wir im Sakrament der Wiedergeburt den Weg zu Christus gefunden und die ersten Anfänge des Lebens erhalten, das in der Gemeinschaft mit Christus begründet ist. Es ist zunächst nur ein Samenkorn, das sich langsam entwickeln und ausreifen soll. Diesem Leben drohen Gefahren, Schwierigkeiten von außen und von innen‚ hemmen seine Entwicklung und bedrohen seinen Bestand.

Aus diesem Bewusstsein heraus flehen wir heute im Einzugslied um Hilfe von oben: „Herr, hab acht, sende mir Hilfe; Herr, eile, mir zu helfen, beschämt werden sollen meine Feinde, die mir nach dem Leben (der Gnade) trachten“ (Introitus). Im „Kyrie eleison“ setzen wir diesen Flehruf fort. „Gib uns, dass wir ohne Hemmnis den Verheißungen, die uns durch die heilige Taufe und in der Zugehörigkeit zu Christus und Seiner Kirche geworden sind, zueilen.“

Was hat uns die heilige Taufe in der Lebensgemeinschaft mit Christus Großes gebracht! Das Alte Testament war ein „Dienst des Todes und der Verdammnis“, da es wohl den Tod, d. i. die Sünde, zeigte und zum Bewusstsein brachte und Strafurteile über Sünde und Sünder fällte. Aber den „Geist“, das übernatürliche Leben der Gnade konnte es aus sich nicht geben!

Anders der Neue Bund, der Bund des lebenschaffenden, d. h. gnadenwirkenden Geistes, der Bund der inneren Rechtfertigung der Seele vor Gott. Diesem Bund sind wir eingegliedert worden. Dafür „will ich den Herrn lobpreisen“ (Graduale). Hier wird dem durch die Sünde verwundeten, zum Tode gequälten Menschen das Leben geschenkt. Der Alte Bund geht an dem Verwundeten ohnmächtig vorüber. Da kommt Christus, der Neue Bund, der barmherzige Samaritan. Er gießt Öl und Wein in die Wunden (Taufe und Eucharistie), bringt den Halbtoten in die Herberge der Kirche und sorgt für ihn, so dass er das volle, gesunde Leben wiederfindet (Evangelium).

3. Das Gleichnis vom barmherzigen Samaritan ist an uns, den Kindern der Kirche, des Neuen Bundes, Wahrheit geworden. Wir selbst sind der Wanderer, der unter die Räuber gefallen ist, den Christus mitleidsvoll angesehen und in dem heiligen Sakrament der Taufe in die Kirche aufgenommen hat. Dankbar antworten wir auf die Worte des Evangeliums mit unserem „Ich glaube an eine heilige, katholische Kirche, ich glaube an eine Taufe.“ Als der barmherzige Samaritan erscheint Christus in der Opferfeier der heiligen Messe persönlich in unserer Mitte, um an uns Sein Werk der Heilung und der Lebensmitteilung weiterzuführen, der Vollendung entgegen.

Ein zweiter Moses, tritt Er flehend vor Gott hin (Offertorium) und bietet zugleich mit Seinem Flehen Sein eigenes Fleisch und Blut, Sein Herz, sich selbst dem Vater als Opfergabe an. Wir dürfen Ihn als unsere eigene Opfergabe in die Hände nehmen und durch den geweihten Priester opfernd Gott darbringen. „Selig die Augen, die sehen, was ihr seht“, und die Hände, die opfern, was ihr opfert!

Wie viel höher steht Christus opfernd und betend über Moses, dem Mittler des Alten Bundes! Wie viel höher steht unser Opfer, das Opfer der Getauften, über den Opfern der Zeiten vor und ohne Christus! „Selig die Augen, die sehen, was ihr seht.“ „Von der Frucht Deiner Werke“ (des eucharistischen Opfers) wird die Erde (die Seele der Mitopfernden) gesättigt in der heiligen Kommunion.

Da ist Christus in der vollendetsten Hingabe der barmherzige Samaritan, Liebe im Herzen, Wein und Öl in der Hand. „Wein erfreut das Herz, Öl erfrischt das Angesicht, und Brot macht stark“ (Communio). Da gießt Er neues Leben in unsere Seele, Leben von Seinem Leben, Geist von Seinem Geist, Liebe von Seiner Liebe. Als „barmherzige Samaritane“ steigen wir von der Opferfeier und vom Opfermahl in den Alltag hinab, um Christi Wort zu erfüllen: „Gehe hin und tue desgleichen!“

Der barmherzige Samaritan

1. Wieder sollen wir uns von dem Glauben an die Herrlichkeit und Erhabenheit dessen durchdringen lassen, was uns durch Christus, den barmherzigen Samaritan, in der heiligen Kirche zuteil geworden ist. „Selig die Augen, die sehen, was ihr seht!“

2. „Ich sage euch: Viele Propheten und Könige (des Alten Bundes) wollten sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört“ (Evangelium). Sie hatten die Beschneidung, sie hatten das Gesetz des Moses, den Tempel, das tägliche Opfer in Jerusalem, die Psalmen, die heiligen Bücher; sie gehörten zum Volk Gottes, genossen den besonderen Schutz Gottes. Und doch: sie wollten sehen und hören, was wir, die Getauften, die Kinder der Kirche des Neuen Bundes, sehen und hören: Christus. Es war ihnen nicht vergönnt. Der Alte Bund konnte mit seinem Gesetz, seiner Lehre und seinem Kult die Menschheit nicht erlösen.

„Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho und fiel unter die Räuber. Diese plünderten ihn aus, schlugen ihn wund, gingen hinweg und ließen ihn halbtot liegen. Da traf es sich, dass ein Priester denselben Weg hinabzog: er sah ihn und ging vorüber. Desgleichen kam ein Levit vorbei, sah ihn und ging weiter“ (Evangelium). Ein Bild der armen, unerlösten Menschheit, vom Teufel ausgeplündert und halb totgeschlagen.

Ein Bild auch des Alten Testamentes, das in seinem Priestertum und Levitentum außerstande ist, die sündige Menschheit zu retten. Es enthält Gesetze, es schreibt Opfer und Gebete vor, die Beobachtung von „Tagen, Monaten, Festzeiten und Jahren“ (Gal. 4, 10); es legt eine Fülle von Reinigungen, Enthaltungen und Bußen auf: aber es kann den Unglücklichen, der unter die Räuber gefallen war, nicht retten. Es verfügt ja nur über „kraftlose und armselige Elemente“, welche das wahre übernatürliche Leben nicht geben können. Es ist ein „Dienst des Todes“, unfähig, das Leben der Gnade zu vermitteln. „Selig also die Augen, die sehen, was ihr seht.“

Selig wir, die wir dem Neuen Bunde, dem Bunde der Gnade, angehören. „Allzeit will ich den Herrn dafür lobpreisen. Stets sei in meinem Munde Sein Lob. Im Herrn will ich mich rühmen“ (Graduale). Wie sind wir reich in Christus! Dass wir es erkennten! Dass wir dafür danken!

3. „Selig die Augen, die sehen, was ihr seht, und die Ohren, die hören, was ihr hört!“ Christus, den heilenden und lebenspendenden Samaritan. Wir sehen Ihn in Seinen Stellvertretern, dem Papst, den Bischöfen, den Priestern. „Wie Mich der Vater gesandt hat, so sende Ich euch“ (Joh. 20, 21). „Wer euch hört, hört Mich. Wer euch verachtet, verachtet Mich. Wer aber Mich verachtet, der verachtet den, der Mich gesandt hat“ (Luk. 10,16). Der katholische Priester ist uns auf Grund seiner heiligen Weihe ein „anderer Christus“.

„Er hat uns befähigt, Diener des Neuen Bundes zu sein. Wenn nun schon der Dienst des Todes, des Alten Bundes, mit solcher Herrlichkeit umkleidet war, dass die Söhne Israels dem Moses nicht ins Angesicht schauen konnten wegen des Glanzes auf seinem Antlitz, wie viel mehr muss dann nicht der Dienst des Geistes, das Priestertum des Neuen Bundes, voll Herrlichkeit sein?“

Es ist nicht eigentlich der Priester, der über das Brot die Worte spricht: „Das ist Mein Leib“; es ist Christus selber. Der Priester ist Ihm nur Werkzeug und Organ. Wir bleiben nicht beim Werkzeug stehen, wir sehen nicht das Werkzeug für sich und trennen es nicht von dem, dessen Werkzeug es ist: wir sehen, achten, hören, lieben im Priester Christus, den Herrn, den Hohenpriester!

Gebet
Allmächtiger und barmherziger Gott. Dein Gnadengeschenk ist es, wenn Deine Gläubigen Dir würdig und untadelig dienen. Wir bitten Dich daher, verleihe uns, dass wir unaufhaltsam Deinen Verheißungen entgegeneilen. Durch Christus unsern Herrn. Amen.

Quelle: Benedikt Baur OSB, Werde Licht, Liturgische Betrachtungen an den Sonn- und Wochentagen des Kirchenjahres, III. Teil Osterfestkreis, 1937, S. 279 – S. 284

Weitere liturgische Betrachtungen von Benedikt Baur OSB siehe unter. dem Stichwort Baur

Siehe auch katholischglauben.online den Beitrag:

Bildquellen

  • Rembrandt_Harmensz._van_Rijn_033: wikimedia

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