Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Leander van Eß
Eß, Leander (ursprünglich Johann Heinrich) van, Vetter des Karl van Eß, OSB (seit 1790) zu Marienmünster b. Paderborn, * 15.2.1772 zu Warburg, † 13.10.1847 zu Affolterbach im Odenwald; 1796 Priester, nach Aufhebung des Klosters 1802 Pfarrer zu Schwalenberg (Lippe), 1812 Pfarrer und ao. Professor der Theologie in Marburg, privatisierte seit 1822 in Darmstadt; Alzey u.a. Seine vielfach ungenaue und unrichtige Bibelübersetzung (NT zuerst 1807, 1842, 1821 kirchlich verboten; AT 1822/36; Ges.-Ausg. 1839 f u. ö.) erhielt durch die englische Bibelgesellschaft, deren Agent er bis 1829 war, eine ungeheure Verbreitung.(…) Einer mehr und mehr unkirchlichen Richtung, religiösen Unklarheit und seichtem Reformertum huldigend (z. B. Rechtfertigte er die Mischehen), trat er in mehreren Schriften leidenschaftlich für den unterschiedslosen Gebrauch der Bibel durch das Volk ein und suchte das Ansehen der Vulgata herab zu setzen.
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. III, 1931, S. 801
Schon im Kloster hatte Leander eine inkorrekte Richtung eingeschlagen, welche ihn später in Konflikt mit der Kirche brachte und ihn schließlich dem religiösen Indifferentismus entgegen führte. Als Pfarrer von Schwalenberg begann er mit Karl von Eß eine Bibelübersetzung, welche er nach dem Rücktritt des letzteren allein fortsetzte. Hierdurch kam er in Verbindung mit der Londoner Bibelgesellschaft, die ihm reichliche Subventionen zuwandte und ihn zu ihrem Agenten aufstellte, bis der 1830 ausgebrochene Streit über die sogen. Apokryphen sein Verhältnis zu dieser Gesellschaft löste. Die Art und Weise, wie Leander van Eß im Interesse der Londoner Bibelgesellschaft tätig war, seine vielfach ungenaue und unrichtige Bibelübersetzung (Werner, Gesch. d. Kath. Theol. 398ff) und namentlich die von ihm zur Schau getragene Geringschätzung der Vulgata erregten Anstoß in katholischen Kreisen und riefen einige polemische Schriften hervor (vgl. Die van Eßische deutsche Bibelübersetzung usw., Straßb. 1819). Der Angegriffene verteidigte sich mit Gereiztheit, beschuldigte seine Gegner der Lüge und Verleumdung und verfaßte mehrere Schriften, um die Berechtigung seines Benehmens nachzuweisen. Zu denselben gehört auch die anonym erschienene heftige Broschüre: Die Bibel nicht, wie Viele wollen, ein Buch für Priester nur, sondern auch für Fürst und Volk, von einem christ-, nicht römisch-katholischen Geistlichen, Darmstadt 1818… Die päpstlichen Vorschriften hinsichtlich des Bibellesens und speziell die Breven Pius VII. an den Erzbischof von Mohilew und Leo`s XII. sucht er durch elende Sophistereien und Verdächtigungen zu entkräften (vgl. die Broschüre: Ihr Priester, gebt und erklärt dem Volk die Bibel, 1825, 22f). Vornehmlich war Leander bemüht, den deutschen Episkopat für sein Unternehmen zu gewinnen, doch gelang ihm dies nicht nach Wunsch. Außer seinen deutschen Übersetzungen der Bibel hat er auch eine neue Ausgabe der Septuaginta und der Vulgata besorgt.
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 4, 1886, S. 909-910