Montag der zehnten Woche nach Pfingsten – Stolz und Demut Teil 1
(Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner Luk. 18, 9-14)
1. Pharisäer und Zöllner, Stolz und Demut! Der stolze, selbstbewusste Unglaube, der keinen Gott und keinen Erlöser, keine Kirche und kein Gebet braucht. Und die Kirche, die in demütigem Glauben und innigem Flehen von Gott das Licht und die Gnade zum Guten erbittet, die nicht auf sich selber vertraut, sondern alles von Ihm und Seinem Erbarmen erwartet. Diese, die Kirche, die Demut, ging gerechtfertigt nach Hause, jener aber, der Unglaube, der Stolz, nicht. Denn „ein jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht“. Siehe da, das Grundgesetz der Welt- und Heilsordnung!
Stolz ist Schwäche
2. „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt.“ Stolz ist Schwäche. Der Stolz glaubt, alles selber machen zu können. Er braucht weder Gott noch die Menschen. Er genügt sich selbst. Und die Folge davon? Täglich muss er es erfahren, wie wenig der Mensch für sich allein ist, wie viele Fehler er macht, wie oft er versagt. Er erlebt täglich peinliche Enttäuschungen. Er wird darob verdrossen, verärgert und verstimmt. Er sucht die eigene Ehre und hascht nach dem Schein. Er rechnet und geht mit den wechselnden Interessen des eigenen Vorteils, mit der Meinung der anderen, mit der eben herrschenden Mode und Strömung, und wird so dauernd in Aufregung, Unruhe und Spannung gehalten.
Der Stolz ist engherzig, ganz auf sein Ich und seine kleinlichen Interessen eingeschränkt. Er trägt seinen Lohn in sich selber: er wird erniedrigt. Nicht nur von Gott wird er verstoßen, auch die Umwelt verachtet ihn, auch wenn sie ihm schmeichelt und dient. Nicht genug damit: er wird sich selbst zur Strafe. Auf dem Stolz liegt kein Segen. „Den Stolzen widersteht Gott.“
So führt er notwendig zur inneren Unruhe, zur Zerrissenheit und schwächt des Menschen Kraft, weil sie nicht Gottes Kraft zur Verfügung hat. Der Stolze stützt sich auf sein Talent, seine Einsicht, sein Mühen und Tun, auf „ein gebrechliches Schilfrohrt. Wenn du dich auf es gestützt hast, bricht es und dringt es dir in die Hand und durchbohrt sie“ (Is. 36, 6). Stolz ist Schwäcje. Denn „Gott hat das Schwache erwählt, um das, was sich stark dünkt, zu beschämen, damit sich ja keiner vor Gott rühme“ (1. Kor. 1, 27).
Demut ist Stärke
„Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.“ Demut ist Stärke. Sie ist immer und überall mit der Hochherzigkeit verbunden. Die Hochherzigkeit ist der Schmuck aller übrigen Tugenden. Sie ist nie mit dem Schein, mit etwas Halbem zufrieden; sie sättigt sich nicht mit eingebildeter Anerkennung und vorübergehendem Erfolg. Sie ist im Guten unermüdlich und unersättlich, im Opfer freudig, in den Beweisen der Liebe erfinderisch.
Warum? Weil sie die Demut zur Wurzel hat. Der Demütige denkt nicht an sich. Das Urteil der Welt, der Menschen, die eigene Ehre, der Vorteil, die Befriedigung der eigenen Wünsche und Neigungen kommt für ihn nicht in Betracht. Ihn kümmert nur der heilige Wille Gottes und die Verherrlichung Gottes. Was außer Gott glänzt, ist ihm nichts. Nur was von Gott kommt und zu Gott führt, hat für ihn Bedeutung. Der Demütige ist selbstlos. Und deshalb ohne Neid und Eifersucht. „Wenn nur Christus gepredigt wird“ (Phil. 1, 18). Fremde Taten wirken nicht lähmend auf ihn. Sie spornen ihn nur an, um so treuer zu sein und so der Gemeinschaft, dem Ganzen zu dienen.
Der Demütige ist der Mutigste
Drohung, Hohn, Verleumdung machen ihn nicht irre. Schmeicheleien und Verlockungen erweisen sich an ihm wirkungslos. Er ist zu allem bereit, was Gottes Wille von ihm verlangt. Ihm darf man jede Aufgabe anvertrauen, die schwierigste, die erniedrigendste. Er erschrickt nicht vor der Anstrengung, nicht vor den Opfern, vor den Leiden, vor irgendeiner Macht: Er vermag alles in dem, der ihn stärkt. Je weniger der Demütige auf sich selber vertraut, um so unerschütterlicher ist seine Zuversicht, dass die göttliche Allmacht ihm das Größte möglich macht. Wie oft mühen große Geister sich ab und lassen kaum ein Ergebnis ihrer Anstrengung zurück.
Andere dagegen, die sich vor den großen Geistern und Talenten nicht sehen lassen dürfen, ernten Segen bei allem, was sie in die Hand nehmen. Das Geheimnis der Demut, des Misstrauens auf sich selbst, des Vertrauens auf Gott, auf die Gnade. „Dem Demütigen gibt Gott Seine Gnade.“ „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.“
3. Hier liegt das Geheimnis der Kraft unserer heiligen Kirche und ihrer Unüberwindlichkeit. Sie lebt vom Geist des herrn. Es ist ein Geist der Demut, des Kleinseins, der Unterwerfung unter Gott. Sie erwartet alles von Gott. „Zu Dir, o Herr, erhebe ich meine Seele. Mein Gott, auf Dich vertrauen ich. Die auf Dich vertrauen, werden nicht enttäuscht“ (Offertorium). Ringsum bedrängt, geschmäht, verfolgt, ist sie voll Siegesgewissheit: „Er schützt mich vor denen, die mir feindlich nahen.“ Sie kennt nur einen Schutz und eine Quelle der Kraft: das Gebet und die demütige Unterwerfung unter Gott, „der alles in allen wirkt“.
Sie ist die betende Kirche. Sie stützt sich auf Gottes Erbarmen, Gnade und Hilfe. „Ich schrie zum Herrn, und Er erhörte meinen Ruf“ (Introitus). Das Flehen der Demütigen tut Gott Gewalt an. Er kann es nicht unerhört lassen.
Hier liegt auch das Geheimnis der Kraft des Christen: in dem Geist der Demut, der ihn beseelt. „Den Demütigen gibt Gott Seine Gnade.“ Je mehr Demut, um so mehr Empfänglichkeit und Raum für Gottes Wirken in der Seele. Was immer Gutes und Großes in dem Menschen und durch den Menschen gewirkt werden soll, kann nur unter dem Schutz der Demut wachsen und gedeihen.
Woher unsere Schwäche, die vielen Fehler und Rückfälle? Daher, dass wir in unserer Frömmigkeit auf uns selber vertrauen und darauf vergessen, dass es Gott ist, der in uns das Wollen und Vollbringen wirkt (Phil. 2, 13). „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden.“
Gebet.
O Gott, Du offenbarst Deine Allmacht vor allem durch Nachsicht und Erbarmen: so schenk uns denn Deine Barmherzigkeit in noch reicherem Maße und mache uns, die wir Deinen Verheißungen entgegeneilen, der himmlischen Güter teilfhaftig. Durch Christus unsern Herrn. Amen.
Dienstag der zehnten Woche nach Pfingsten – Stolz und Demut Teil 2
1. „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht.“ Der Pharisäer und der Zöllner. Die Eigenliebe, die bis zur Hintansetzung Gottes fortschreitet und sich selber rühmt, und die Gottesliebe, die den Menschen um Gottes und um der Wahrheit willen auf sich selbst vergessen und sein ganzes Vertrauen auf Gottes Erbarmen und Gnade setzen lässt. Stolz und Demut. Der Stolz der Geist der Welt, die Demut der Geist Christi und der Kirche, der Geist des Leibes Christi.
Stolz ist die Wurzel alles Bösen
2. Stolz ist der Geist der Welt, des Unchristentums. Stolz ist, wer seinem eigenen Geist und Willen folgt, wer nur seinen eigenen Willen kennt. Im Stolz wendet sich der Mensch von Gott ab. Im Stolz weigert er sich, die ihm von Gott gegebenen Talente, Anlagen und Kräfte des Leibes und des Geistes in den dienst der Gebote und des Willens Gottes zu stellen. Er will sein eigener Herr sein. Auch Gott soll ihm nichts zu sagen haben. Mit dem Stolz, der Verweigerung der Unterwürfigkeit unter Gott, beginnt alle und jede Sünde.
Der Stolz legt den Grund zur Sünde: die Befriedigung einer Leidenschaft, die Habsucht, die Sinnlichkeit macht sie dann fertig. Der Stolz ist der Anfang, die Ursache, das Haupt jeder Sünde, die Wurzel alles Bösen. Er ist der Sauerteig, der das Gute im Mensche ansteckt und es, weiterfressend, verdirbt. Er ist das größte, ja das einzige Hemmnis für die Vereinigung mit Gott. Er ist auch der Maßstab für die Entfernung von Gott. Gerade das macht den Weltgeist aus: er ist Abkehr von Gott, Selbstliebe, Selbstherrlichkeit. Die Welt kann es ohne Gott, ohne Gottmenschen und Erlöser, ohne eine Kirche, ohne Gebet und Sakramente. Sie hält sich für stark und tüchtig genug, um aus eigener Kraft rein, geduldig und liebevoll zu sein.
Und dieser Geist der Welt des Stolzes und der Selbstherrlichkeit dringt auch ins Heiligtum der Kirche, in die Herzen der Christen ein. Sie haben feierlich der Welt entsagt. Sie haben den Heiligen Geist empfangen. Und trotzdem so viel Menschenfurcht, so viel Sucht nach Lob und Menschengunst, nach Geltung und Ehre. So viel unwürdiges Sklaventum gegenüber den großen und Mächtigen der Erde. So viel Verständnislosigkeit für die christliche Demut, für den Geist Christi und Seiner Kirche, in den einzelnen und in den Gemeinschaften.
Lauter Weltgeist! Was Wunder, dass das christliche Leben heute an so vielen Schäden leidet. Dass wir unsere christlichen Ideale und Grundsätze leichter Hand verleugnen und preisgeben und das Heiligste gegen einen elenden Linsenbrei eintauschen.
Demut ist der Geist Christi
„Lernet von Mir!“ (Matth. 11, 29) Nicht Wunder wirken. Nicht Welten schaffen. Nicht Tote erwecken. Nur das eine: Von herzen demütig sein. Die Welt fand gegen ihre Krankheit, den Stolz, weder Arzt noch Arznei. Da kam Er und bot ihr in Seiner Person beides an. Der Stolz ist ein fressendes Gift, dass er nur durch ein ganz kräftiges Gegengift geheilt werden kann. Das Heilmittel, das der Herr uns gebracht hat. Ist so kräftig, dass es ein kräftigeres gar nicht mehr geben kann: die tiefste Verdemütigung des Sohnes Gottes!
Der Sohn Gottes verlangt, da Er zu uns kommt, nach Unterwerfung, Armut, Demütigung und wählt die tiefste Erniedrigung und den schmachvollsten Tod am Kreuz. Gott sterbend, erniedrigt, von den Menschen ausgestoßen, als der gemeinste Verbrecher verurteilt, am Kreuz! Das ist die Demut Jesu! Demut ist der Inbegriff Seiner Heilsveranstaltung, der Inhalt dessen, was Er uns dirch Wort und Tat und Beispiel lehrte. Demut ist das ganze Leben, die eigentlichste Tugend Jesu.
Und deshalb ist die Demut auch die eigentliche Tugend der Kirche, des Leibes Christi und jedes wahren Christen, des Gliedes Christi. Sie ist das Fundament des geistlichen Gebäudes, auf dem allein die Tugenden sicher ruhen. Sie ist die Wurzel und der Anfang alles Guten und allen Heiles. Am Fortschritt der Demut hängt das Wachstum der Gnade und Tugend. Das ganze Gebäude des Gnadenlebens ruht auf den zwei Grundpfeilern der Kraft des Kreuzes Christi und der Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Die Last des Kreuzes Jesu aber und des christlichen Lebens trägt nur, wer in der Demut tief begründet ist.
Und ebenso wird der Heilige Geist sich nicht in einer Seele niederlassen, die nicht von sich selber leer ist. So ist die Demut das Fundament, auf dem das christliche übernatürliche Leben ruht: die demütige Unterwerfung unter Gott, das Nichtssein vor Gott räumt die Hindernisse weg, die das vom Stolz verdorbene Herz dem Glauben, der Hoffnung, der Liebe und jeder anderen Tugend entgegensetzt! „Lernet von Mir, Ich bin demütig von Herzen.“
Was wir übernatürlich Gutes besitzen, kommt von Christus
3. Wir sind Zweige an Christus, dem Weinstock. Mit Paulus sprechen wir: „Ich kann alles in dem, der mich stärkt“ (Phil. 4, 13). Aus uns selber nichts, sind wir stark in Ihm.
Was immer wir übernatürlich Gutes besitzen und vermögen, fließt uns von einem andern zu, vom Weinstock, von Christus, dem Haupt. „Aus Seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade“ (Joh. 1, 16). Was wir sind und haben, sind und haben wir uns als Zweige am Weinstock, als Glieder Christi. Ihm gebührt alle Ehre und aller Dank. Soweit es auf uns ankommt, können wir uns nur „unserer Schwachheit“ rühmen (2. Kor. 12, 10). „Alles wirkt ein und derselbe Geist, der jedem zuteilt, wie Er will“ (Lesung).
„Mit Freuden will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit in mir die Kraft Christi wohne. Deshalb habe ich Wohlgefallen an meinen Schwachheiten, Misshandlungen, Nöten, Verfolgungen, Bedrängnissen um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, bin ist stark“ (2. Kor. 12, 9 u. 10).
Gebet.
Gott, Du widerstehst den Stolzen und gewährst den Demütigen Deine Gnade; verleihe uns die Tugend wahrer Demut, als deren Vorbild Dein eingeborener Sohn sich selbst den Gläubigen vor Augen gestellt hat, und lass uns niemals durch Hochmut Deinen Unwillen herausfordern, vielmehr durch Unterwürfigkeit die Geschenke Deiner Gnade erlangen. Durch Christus unsern Herrn. Amen. –
aus: Benedikt OSB, Werde Licht, Liturgische Betrachtungen an den Sonn- und Wochentagen des Kirchenjahres, III. Teil Osterfestkreis, 1937, S. 234 – S. 240
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Bildquellen
- pharisaeer-und-zoellner-gartenlaube-1884: wikimedia