A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T Ü V W Z

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Reformationsrecht

Reformationsrecht (jus reformandi) des Landesherrn heißt in der Geschichte der sogenannten Reformation das Recht, welches sich die Fürsten und Stände des deutschen Reiches beilegten, kraft ihrer Territorialhoheit in ihren Ländern die eigene Konfession einzuführen und andere bestehende Religions-Bekenntnisse abzuschaffen, gemäß dem Satz: Cujus regio, illius et religio. Der Name „Reformationsrecht“ kommt zuerst bei den Verhandlungen zum Westfälischen Frieden vor, wo die protestantischen Stände gegenüber den Beschwerden der Katholiken wegen Verletzung des Augsburger Religionsfriedens sich durch Berufung auf das jus reformandi zu rechtfertigen suchten. Die Sache selber war allerdings tatsächlich in Übung, seitdem deutsche Fürsten und Reichsstände unter Annahme der Augsburger Konfession eigenmächtig die katholische Religion in ihren Gebieten abschafften, die Kirchengüter und Klöster säkularisierten usw. Der Nachweis aber, auf Grund welches „Rechtes“ die Landesherren so verfahren durften, hat seit je den protestantischen Juristen Schwierigkeiten bereitet, und es finden sich bei ihnen fast so viele Ansichten über das jus reformandi, seinen Ursprung und seine Begrenzung, als Autoren darüber geschrieben haben. Hier braucht auf diese Versuche im Einzelnen nicht weiter eingegangen zu werden, da keiner derselben den unlöslichen Widerspruch aufheben kann, welcher nach christlichen Prinzipien der ganzen sogenannten Reformation mit allen ihren Folgen anhaftet. Von einem Reformationsrecht der Landesherren kann demnach gar keine Rede sein, und was man mit diesem Namen zu bezeichnen pflegt, war nichts Anderes als eine Rechtsverletzung, die aber wegen der traurigen Zerrüttung des deutschen Reiches einer legalen Anerkennung teilhaft wurde, als eine Art Provisorium bis zur Wiederherstellung der Einigkeit bezüglich der Religion (vgl. I.P.O. Art. 5, §1. 14. 31).

Nur in diesem Sinne und als communis per totum imperium hactenus usitata praxis wurden beim Westfälischen Frieden auch von Seiten der katholischen Fürsten nicht sowohl das „Reformationsrecht“, als vielmehr die tatsächlichen Zustände, welche aus dem vorgeblichen jus reformandi hervor gegangen waren, als äußerlich zu Recht bestehend anerkannt. Dabei waren aber durch die Aufstellung des Jahres 1624 als Normaljahrs für das „Reformationsrecht“ Grenzen festgesetzt, die freilich von den protestantischen Fürsten zu ihren Gunsten keineswegs inne gehalten wurden. Dies, und auf der andern Seite der Gebrauch, den katholische Fürsten, welche durch Sukzession Herren über andersgläubige Untertanen wurden oder konvertiert waren, von ihrer Landeshoheit zur Einführung des sogenannten Simultaneum machten, ward zu einer ergiebigen Quelle von gegenseitigen Beschwerden. Auf Seiten der protestantischen Juristen ging aber gleichzeitig insoweit eine Wandlung bezüglich des jus reformandi vor sich, als man, seitdem aus diesem Recht für die Protestanten statt der früheren Vorteile mancherlei Schäden drohten, das dem Reformationsrecht zu Grunde liegende Territorialsystem zu bekämpfen suchte, besonders durch Aufstellung des in sich übrigens gleich widerspruchsvollen Kollegialsystems. Bei der neueren staatlichen Entwicklung in Deutschland ist das „Reformationsrecht“ im früheren Sinne nicht mehr von praktischer Bedeutung; ein Nachklang davon zu Ungunsten der Katholiken findet sich jedoch in der Beschränkung der vollen freien Religionsübung in einigen Territorien. –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 10, 1897, Sp. 891 – Sp. 892

Seit dem 18. Jahrhundert verstand man unter jus reformandi den Anspruch der weltlichen Regierung, die Bildung von Religions-Gesellschaften und das Maß ihrer Kultusübung zu bestimmen (Kirchenhoheit), oder das Recht des Staates, Missbräuche in der Kirche abzuschaffen. Allein dadurch beansprucht er geistliche Gewalt für sich. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VIII, 1936, Sp. 703

Tags: Protestantismus
Buch mit Kruzifix
Ludwig I. – IV. Könige von Deutschland
Buch mit Kruzifix
Albornoz

Weitere Lexikon-Einträge

Buch mit Kruzifix

Leviratsehe

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Leviratsehe Leviratsehe (lateinisch levir = Schwager), Schwagerehe, die Ehe, die der Bruder eines ohne männliche Nachkommen verstorbenen Ehemannes mit dessen Witwe eingehen musste. Das Recht der Leviratsehe bestand schon zur Zeit der Patriarchen und…
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Heinrich I. bis VIII. englische Könige Heinrich I. – Heinrich II. – Heinrich III. – Heinrich VI. – Heinrich VIII. Heinrich I., * 1068 als jüngster Sohn Wilhelms I. des Eroberers, † 2.12.1135. Heinrich…
Buch mit Kruzifix

Kanaaniter

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Kanaaniter Kanaaniter, in der heiligen Schrift I. Name einer Völkerschaft, welche von Kanaan abstammte. Dieselbe umfasste elf Stämme. 1. Sidonier, 2. Hethiter, 2. Jebusiter, 4. Amorrhäer, 5. Gergesiter, 6. Heviter 7. Araciter, 8. Siniter,…
Buch mit Kruzifix

Lapsi

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Lapsi (Traditoren) Lapsi, Christen, die vom christlichen Glaubens wieder abfielen, besonders jene, die sich in Zeiten der Christenverfolgungen schwach erwiesen und ihren Glauben entweder schon unter moralischem Zwang oder unter Einwirkung physischer Gewalt durch…
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Luitprand von Cremona Luitprand (Liutprand), Bischof von Cremona, Geschichtsschreiber, * um 920, † um 970; aus vornehmem langobardischen Geschlecht, am Hof des Königs Hugo v. Italien gebildet, wurde Diakon in Pavia, später Kanzler von…

Weitere Lexikon-Beiträge

Buch mit Kruzifix

Aufklärung

Irrlehrer und Irrlehren
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Aufklärung Aufklärung als geschichtliche Erscheinung ist die theoretische und praktische Tendenz, von der christlichen Offenbarung und Kirche und allem, was mit ihr zusammen hängt, als einer „Verfinsterung des Geistes“ sich frei zu machen und nur einen Glauben, den an die sola ratio, anzuerkennen. Im Laufe der Religions-Geschichte haben fast…
Buch mit Kruzifix

Schmalkaldischer Bund

Lutheraner
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Schmalkaldischer Bund Schmalkaldischer Bund, konfessionell-politisches Bündnis, nach längeren Vorverhandlungen zunächst auf 6 Jahre abgeschlossen am 27.2.1531 zwischen mehreren protestantischen Fürsten, voran Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Johann v. Sachsen, und einer größeren Zahl nieder- und oberdeutscher Städte zum Schutz ihres Glaubensstandes, den sie durch den Augsburger Reichstagsabschied v.…
Buch mit Kruzifix

Fideismus

Irrlehrer und Irrlehren
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Fideismus Fideismus, auch Symbolofideismus, nannte sich die Anschauung der Professoren der 1877 gegründeten Pariser protestantischen theologischen Fakultät Louis Aug. Sabatier und Eugène Ménégoz (1838-1921) über das Verhältnis von Glaube und Dogma. Um die Religion dem modernen Menschen wieder nahe zu bringen und die Kluft zwischen der reformierten Orthodoxie und…
Buch mit Kruzifix

Harnack

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Harnack Harnack, Adolf v., bedeutendster protestantischer Theologe Deutschlands seit Schleiermacher, anerkannter Führer des liberalen Protestantismus, Lehrer einer ganzen Generation von Geistlichen und Professoren, ein Mann von internationalem Ansehen, überaus fruchtbarer und vielseitiger Schriftsteller, der weit über sein Fach hinaus zu Fragen der geistigen Kultur, des sozialen Lebens, der Organisation…
Buch mit Kruzifix

Mormonen

Irrlehrer und Irrlehren
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Mormonen Mormonen, nordamerikanische Sekte, gegründet 1830 in Fayette (Neuyork) durch Joe Smith, von dem sie in Wesen und Lehre ihr eigenartiges Gepräge erhielt. Die Sekte bildet einen straff organisierten Kirchenstaat mit theokratischer Verfassung. Im Namen Gottes regieren 3 Apostel (Nachfolger der 3 Säulenapostel Petrus, Jakobus und Johannes) als erste…
Buch mit Kruzifix

Wesley

Lutheraner
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Wesley, John Wesley, John, Begründer des Methodismus, tief religiös (Newman: „The shadow of a catholic saint“), mit hervorragenden Führereigenschaften. * 17.6.1703 zu Epworth (Licolnshire), † 2.3.1791 in Leatherhead bei London; studierte Philosophie und Literatur in Oxford, wandte sich unter dem Einfluss des Büchleins der Nachfolge Christi dem geistlichen Beruf…
Consent Management Platform von Real Cookie Banner