A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T Ü V W Z

Jüdische Philosophie

Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Jüdische Philosophie

Das Judentum besitzt aus sich heraus keine Philosophie, sondern nur als Umbildung von philosophischen Einwirkungen des es umgebenden Kulturen.

1. Aus dem Hellenismus erstand dem Judentum die alexandrinische Philosophie in Philo, dessen Logos- und Geistlehre sowohl die griechischen Kirchenväter als auch den Neuplatonismus beeinflusste, aber im Judentum wegen seiner Emanationslehre keine Aufnahme fand.

2. Aus dem Islam erwuchsen dem Judentum in Parallelbildung zum Vorbild innerislamischer Schulen 4 Typen:

a) Die spekulativ-theologische Form nach Art des Kālām weist wie dieser (Arabisch-islamische Philosophie) auf das Christentum (Johannes v. Damaskus, syrisch-nestorianische und monophysitische, später christlich-arabische Theologie: Abū Kurra, Paulus v. Sidon) und enthält in naturwissenschaftlichen Fragen vorsokratische Züge (Atomistik), folgt im Einzelnen aber den Muʿtaziliten, d. h. der freieren Richtung des Kālām, welche die Gerechtigkeit und Einheit Gottes verteidigt, in den Thesen der Freiheit des Willens und der Leugnung der göttlichen Eigenschaften als realer Akzidentien der göttlichen Substanz. Sie wird vertreten durch die Karäer Joseph al-Basir und Jeschuah ben Judah († um 1050) bis Aaron ben Elia († 1369) und durch die Rabbaniten Mukammas (um 950), Joseph ibn Zaddik († 1149), als bedeutendsten Saadja († 942) und die ethische schule des Bachja („Buch der Wesensbestimmungen der Seele“). –

b) Der neuplatonische Typus entwickelte die Emanationslehre in den Weltstufen: Weltgeist-Weltseele-Natur, die Makrokosmos-Idee und aus pseudo-empedeokleischen Quellen und der islamischen Schule des Ibn Masarra in Spanien die Thesis von einer 1. Mateire auch für die Geisterwelt; so Avicebron († um 1070). Isaak Israeli († 940), Abraham bar Hijja († um 1130), Moses ben Esra († nach 1138) und Abraham Aben Esra († um 1167), während Joseph ibn Zaddik († 1149) schon den Übergang zum Aristotelismus, Bachja aber eine Mischung von Kālām mit Neuplatonismus bedeutet. –

c) Der aristotelische Typus ist eine Spiegelung der islamischen Aristoteliker Al-Kindi, Fārābī, Avicenna, nach 1200 auch des Avoerroes. Sie erreicht durch Annahme der Logik des Aristoteles wissenschaftlichen Wert und durch Ausbildung der Metaphysik philosophische Tiefe. In Abraham ben David Halevi († um 1180) und Maimonides († 1204), auch Levi ben Gerson († 1344) beeinflusste sie die Scholastik (Beweise für das Dasein Gottes unter Annahme einer ewigen Welt als anfangsloser Schöpfung; Lehre vom tätigen Verstand) und entfesselte tiefgreifende Auseinandersetzungen innerhalb des Judentums, indem sie eine antirational-fideistische Schule wachrief: Jehuda ben Samuel Halevi († um 1150), von Gazali († 1111) kommend, und Crescas († 1412), aber auch entschlossene Anhänger: Isaak Albalag († um 1250) und Mose Narboni. –

d) auf babylonischer Astrologie zurückgehende Popularphilosophie ist die Kabbala. Übersetzerschulen vermittelten die Gedanken zwischen den hebräischen, arabischen und lateinisch-scholastischen Sprachgebieten, so Ibn Tibbon, die Familie Schemtob.

3. Aus dem mittelalterlichen Christentum lassen sich Einflüsse auf Hillel ben Samuel († um 1290) nachweisen, der die Scholastiker kennt.

4. Aus der modern-europäischen Kultur entfalten sich im Judentum viele Strömungen. Eine naturwissenschaftliche vertrat Joseph del Medigo († 1655), eine mathematisierende Ethik Spinoza; religions-philosophisch beeinflusste Moses Mendelssohn († 1786) Lessing („Nathan“ 1779) und Jacobi. Das System Kants zieht durch seinen ethischen Vernunftglauben viele Jahre an, z. B. die Amrburger Neukantianer um H. Cohen († 1918). Von Schelling ging S. Formstecher († 1889) aus, von Hegel Nachman Krochmal († 1840) und S. Hirsch († 1889). M. Lazarus († 1903) schrieb eine „Ethik des Judentums“. Systemlos ist G. Simmel, während die phänomenologische Begriffsumschreibung von dem Kreis um E. Husserl gepflegt wird, vielfach mit starker Überwucherung des Sprachlich-Terminologischen, oder auch ethisch interessiert (Scheler).

Eine fideistisch-antirationale Richtung betont den Supernaturalismus, so S. L. Steinheim († 1866) und viele modernste Schriftsteller. Den Anspruch des Judentums, als endgültige Weltreligion alle religiösen Differenzierungen von Orient und Okzident zusammenzugreifen, vertreten neben M. Buber auch H. Cohen, Fr. Rosenzweig, M. Brod und L. Baeck. Darin folgt das Judentum seiner ältesten Überlieferung, die das Christentum ihm abgenommen hat. Philosophie ist dadurch im Gesamt-Judentum an die 2. Stelle gedrängt und von dem religiösen Grundmotiv beherrscht – im Gegensatz zum Griechentum. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. V, 1933, Sp. 680 – Sp. 682

Tags: Judentum
Buch mit Kruzifix
Theophilus von Alexandrien
Buch mit Kruzifix
Israelitische Religion

Weitere Lexikon-Einträge

Buch mit Kruzifix

Sibyllen

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Sibyllen Die Sibyllen waren heidnische Jungfrauen, welche in strenger Enthaltsamkeit lebten und von denen man deswegen glaubte, daß sie besonderer göttlicher Offenbarungen gewürdigt wurden. Ihre Weissagungen von der Ankunft des Erlösers und von seiner…
Buch mit Kruzifix

Naturrecht

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Naturrecht Naturrecht im christlichen Sinne ist die Summe derjenigen Normen des moralischen Naturgesetzes, die sich auf das menschliche Gemeinschaftsleben beziehen. Als Ausschnitt aus dem natürlichen Sittengesetz ist es mit diesem im Willen Gottes (lex…
Buch mit Kruzifix

Geheimbünde

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Geheimbünde Geheimbünde sind Vereinigungen, die ihre Existenz selbst oder ihre Verfassung, Lehren, Gebräuche und Ziele geheim halten. Die Eingeweihten, meist erst nach einer Prüfung und oft unter kultischen Reinigungen aufgenommen, sind streng zum Schweigen…
Buch mit Kruzifix

Husiten

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Husiten Husiten, Anhänger des Hus, bis 1420 Wiclifiten genannt. Sie waren in den religiösen Ansichten gespalten, aber einig im Kampf gegen die katholische Kirche. Ihr geistiger Vater war Wiclif, der die Predigt als „ein…
Buch mit Kruzifix

Herodes

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Herodes Herodes und die herodeische Dynastie. Über die von Johannes Hyrkanus I. unterworfenen Idumäer hatte Alexander Jannäus in Antipas einen Einheimischen als Statthalter gesetzt. Das ist der Stammvater des herodeischen Hauses. Sein Sohn Antipater…

Weitere Lexikon-Beiträge

Buch mit Kruzifix

Samaria

Antike
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Samaria Samaria: I. die von Amri auf dem einem gewissen Somer abgekauften Berg neu gegründete (vorher nur spärliche Siedlung in der Bronzezeit!) Hauptstadt des Königreichs Israel (1. Kg. 16, 4). Von Natur und Menschenhand stark befestigt, trotzte sie wiederholten Anstürmen der Aramäer (1. Kg. 20, 1ff; 2. Kg. 6,…
Buch mit Kruzifix

Hohepriester

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Hohepriester Hohepriester. An der Spitze des levitischen Priestertums stand der Priester zur Unterscheidung von den einfachen Priestern genannt „der Hohepriester“, „der Priesterfürst“, auch „der gesalbte Priester“, weil jeder Hohepriester mit dem heiligen Öl gesalbt wurde (vgl. Ex. 29,29; Lv. 8,12). Er unterschied sich von den Priestern 2. Ranges auch…
Buch mit Kruzifix

Sadduzäer

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Sadduzäer Sadduzäer, nach den Pharisäern die wichtigste jüdische Partei zur Zeit Jesu. Ihr Ursprung und Wesen sind nicht völlig geklärt. Gewöhnlich wird der Name Sadduzäer vom Hohenpriester Sadok (2. SM. 8,17) hergeleitet, dessen Geschlecht, „die Söhne Sadoks“ (Ez. 40,46 usw.; Sir. 51,12H), seit Salomon bis 175 v. Chr. die…
Buch mit Kruzifix

Juda

Heilige Schrift AT
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Juda Juda (Gn. 29, 35, mit „preisend bekennen“ erklärt, assyrisch Ja-u-di), der 4. Sohn Jakobs von der Lia (Gn. 29, 35), noch während Jakobs Aufenthalt bei Laban in Mesopotamien geboren. Er teilte den Hass der Brüder gegen Joseph, war aber doch bedacht, dessen Leben zu schonen (Gn. 37, 26).…
Buch mit Kruzifix

Israelitische Religion

Heilige Schrift AT
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Israelitische Religion Durch seine Religion ist Israel zum Erzieher und Wohltäter der Menschheit geworden (Siehe: Judentum und Christentum). Sie ist nach Inhalt und Entwicklung etwas Einzigartiges in der antiken und orientalischen Welt. 1) Gotteslehre Charakteristisch gegenüber den andern altorientalischen Religionen ist der strenge Monotheismus. Zunächst noch mehr naiv-praktisch und…
Buch mit Kruzifix

Esdras

Heilige Schrift AT
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Esdras Esdras („Hilfe“), Esra, Ezra, jüdischer Schriftgelehrter und Priester aus der Familie des Hohenpriesters Saraias, den Nebuchodonosor hatte hinrichten lassen (2. Kg. 25, 18-21). In der Verbannung zu Babylonien aufgewachsen, erwarb sich Esdras hebräische Bildung („ein Schriftgelehrter, bewandert im Gesetz des Moses“, Esr. 7, 6) und eine einflussreiche (amtliche?)…
Consent Management Platform von Real Cookie Banner