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Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Sozinianismus

I. Der Begründer des Sekte des Sozinianismus ist Faustus Sozinus (Fausto Sozzini), * 1539 zu Siena, † 3.3.1604 zu Luclawice bei Krakau (hier Denkmal). Er studierte die Rechte, wandte sich aber bald unter dem Einfluß seines Oheims Lälius ausschließlich der Theologie zu. Als Lälius 1562 starb, erbte Faustus seinen literarischen Nachlass und vertiefte sich in das Studium der hier nieder gelegten, von der Kirchenlehre abweichenden Ideen über Dreifaltigkeit, Erlösung, Sakramente und Letzte Dinge. Seine theologische Richtung war damit entscheidend beeinflußt; seine Arbeiten galten fortan dem Ausbau eines Glaubenssystems und dem Zusammenschluss von Gleichgesinnten zu einem Kirchenwesen. Trotz dogmatischer Unterschiede gegenüber den Unitariern suchte er doch durch Anschluß an sie seine Pläne zu verwirklichen. Deshalb begab er sich 1579 nach Polen, wo zahlreiche unitarische Gemeinden bestanden. Mit zähem Eifer arbeitete er an der Überwindung der großen Schwierigkeiten und trat mit Wort und Schrift erfolgreich für die unitarischen Lehren ein. Seit 1588 war sein Einfluß ausschlaggebend, wozu auch seine Ehe mit einer angesehenen Adeligen beitrug. Seiner abweichenden dogmatischen Anschauungen fanden nun mehr und mehr in die Lehren des Unitarismus Eingang. Am Abend seines Lebens ging sein Bemühen um den Zusammenschluss der unitarischen Gemeinden Polens zu einem einheitlichen Kirchenwesen in Erfüllung.
II. Für die weitere Geschichte des Sozinianismus gewann die Stadt Rakow (bei Sandomierz) mit ihrem „Gymnasium bonarum artium“ tief gehende Bedeutung. Trug auch die wohl organisierte Kirchenverfassung viel zur Festigkeit des sozinianischen Gemeindelebens bei, so doch noch mehr die bedeutenden geistlichen Theologen und Laiengelehrten, die in Rakow ihre Ausbildung erhalten hatten. Unter König Sigismund III. (1587-1632) begann die Bekämpfung des Sozinianismus in Polen (Peter Skarga, Nik. Cichocki u.a.); 1638 ward die Schule von Rakow aufgelöst; mit dem Ausweisungs-Dekret des Warschauer Reichstages von 1658, veranlaßt durch ihr Polen feindliches Verhalten im Schwedenkrieg, war das Schicksal des Sozinianismus in Polen besiegelt. Die Sozinianer flüchteten in benachbarte Länder, hier Polnische Brüder sich nennend. Als eigene Gemeinden vermochten sie sich in Deutschland, wo zeitweilig die Universität Altdorf (Prof. Ernst Soner, † 1612) der Mittelpunkt war, nicht lange zu behaupten; besser gelang dies in den Niederlanden und in Siebenbürgen. In Siebenbürgen, England und Nordamerika hat sich der Sozinianismus als eigene Kirchen-Gemeinschaft, allerdings wesentlich modifiziert als sog. Unitarismus, bis heute erhalten.
III. Der sozinianische Lehrbegriff, zusammen gestellt im Rakauer Katechismus (1605/09), erkennt zwar noch die Autorität der Bibel als Glaubensnorm an, stellt aber den Verstand, und zwar den gesunden Menschenverstand, der auch ein göttliches Licht sei und keiner besonderen Geisthilfe bedürfe, über die Autorität des Schriftwortes; sonst sei der Wortsinn streng fest zu halten, wenn keine logische Unmöglichkeit vorliege. Widersprüche entdeckte ihr „gesunder Menschenverstand“ aber in vielen Sätzen. Ihre Gotteslehre war vom Anthropomorphismus gestaltet. Nur den Vater Jesu Christi erklärt der Sozinianismus als wahren Gott; die Einheit der Person erscheint ihm von der Einheit der Natur unzertrennlich. Die Gottheit Christi sucht er als schrift- und vernunftwidrig zu erweisen. Der Mensch Jesus jedoch sei über die Menschheit gestellt durch 3 Vorrechte: jungfräuliche Geburt, vollkommene Heiligkeit, von Gott ihm übertragene Macht der Weltregierung. Im Hinblick auf die letztere wird auch für Christus Anbetung gefordert, die jedoch unter der Anbetung des höchsten Gottes steht und nur auf diesen zu beziehen ist (von den Gegnern wurden die Sozinianer daher oft als Photinianer bezeichnet). Die Polemik gegen den kirchlichen Trinitäts-Glauben bildet den Angelpunkt der sozinianischen Gegnerschaft gegen den orthodoxen Kirchenglauben (vgl. Denzinger n. 993). Der Sozinianismus bestreitet weiter die Unfehlbarkeit des göttlichen Vorherwissens, befehdet scharf die kirchliche Lehre von der ursprünglichen Heiligkeit und Gerechtigkeit des Menschen, stellt in Abrede, daß der Mensch von Anfang an unsterblich gewesen, und verneint die Erbsünde. Die Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen bestehe lediglich in dessen Herrschaft über die ihm untergeordneten Kreaturen. Durch Leugnung der Notwendigkeit der Gnade und übertriebene Aufstellungen bezüglich der sittlichen Kräfte des Menschen erneuert der Sozinianismus den Pelagianismus; die Prädestination wird preisgegeben. Das Dogma von der Erlösung sei unhaltbar, weil es in Gott keine vindikative Gerechtigkeit gäbe. Die Zurechnung der Verdienste Christi verwerfen sie als schädlich für das sittliche Leben. Die Sakramente sind ihnen lediglich Zeremonien. Die Taufe ist für die im Christentum Geborenen nicht notwendig; ihre Beibehaltung beruht auf einem Missverständnis einer an sich zeitlichen Anordnung Christi. Die Kindertaufe stellt ebenfalls einen Irrtum, wenn auch keine Sünde dar. Das Abendmahl ist hingegen für immer eingesetzt, hat jedoch nur die Bedeutung einer Erinnerungs-Zeremonie an den Tod Christi. Die Unsterblichkeit der Seele gehört zu den Glaubensartikeln des Sozinianismus; dagegen wird die Auferstehung des Fleisches als solche und die Ewigkeit der Höllenstrafen geleugnet. Die bösen Engel wie die verdammten fallen schließlich völliger Vernichtung anheim. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX, 1937, S. 696-697

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