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Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Montanismus

Montanismus, schwärmerische Sekte, die sich zunächst als eine aszetisch-eschatologische Erweckungs-Bewegung innerhalb der Kirche offenbarte, aber auch eine gefährliche Häresie war. Obschon sie das Glaubens-Bekenntnis nicht änderte, wollte sie doch die christliche Offenbarung durch eine vollkommenere, von neuen Propheten verkündete ersetzen und diesen inspirierten Sehern die oberste kirchliche Leitung anvertrauen. Der Begründer ist der Phrygier Montanus, ein früherer Kybelepriester. Seit 172 gab er in ekstatischen Zuständen, die mit Schreien, Toben, Zuckungen verbunden waren, seine neuen Offenbarungen. Er hielt sich für das Organ des Joh. 14,16f verheißenen Parakleten. Montanus selbst gibt darüber folgende Erklärungen als angebliche Offenbarungen Gottes: „Siehe, der Mensch ist wie eine Leier, und ich fliege herzu wie ein Plektron; der Mensch schläft, und ich wache; siehe, der Herr ist es, der die Herzen der Menschen in Ekstase versetzt und der das Herz den Menschen gibt“ (Epiphanius, Haer. 48,4). Er versteigt sich zu maßlosen Selbstbezeichnung: „Ich bin gekommen, nicht ein Engel oder Gesandter, sondern Gott der Vater selbst“ (Haer. 48,11), oder: „Ich bin der Vater und der Sohn und der Paraklet“ (Didymus, De Trin. 3,41). Bald fühlten sich sich auch 2 Frauen, Prisca (Priscilla) und Maximilla, von dem falschen Geist ergriffen. Die Schwärmerei griff schnell um sich; die benachbarten Bischöfe versuchten an Maximilla und Prisca den kirchlichen Exorzismus vorzunehmen, wurden aber von den deren Anhänger daran gehindert. Erhalten sind 19 Orakel (Labriole, Crise 35/105), darunter einige das Volk tief aufwühlende über die baldige Erscheinung Christi und die Nähe des Weltendes. Maximilla, die 179, etwas später als Montanus und Prisca, starb, hatte verkündet: „Nach mir wird keine Prophetin mehr kommen, sondern das Weltende“ (Epiphanius, Haer. 48,2). Von den phrygischen Städten Pepuza und Tymium sollte das 1000jährige Reich Christi ausgehen, auf die Stadt Pepuza das himmlischen Jerusalem sich herablassen. Ein strengeres Leben sollte zur Vorbereitung auf die Ankunft des Herrn dienen und mit Einführung einer höheren Sittlichkeit die Kirche erst zur Reife und Vollendung gebracht werden (Tertullian, De virg. Vel. c.1). Die zweite Ehe wurde verboten (Tert., De monogamia c. 3), das Fasten verschärft und das Stationsfasten gesetzlich geboten und zumeist bis 6 (statt bis 3 Uhr) ausgedehnt, für 2 Wochen, Samstag und Sonntag ausgenommen, Xerophagien angeordnet (Tert., De jejunio; hieronymus, Ep. 41,3; in Agg 1,11; In Mt. 9,15). Entgegen Mt. 10,23 galt die Flucht in der Verfolgung (nummaria fuga) und die Anwendung besonderer Vorsicht bei Abhaltung des Gottesdienstes verboten. Deshalb zählen die Montanisten viele Märtyrer. Auch die Bußdisziplin erfuhr eine Verschärfung; die schweren Sünder wurden für immer aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen (Tert., De pudicitia c. 21). Von den Jungfrauen wurde wie von den Frauen beim Gottesdienst das Tragen des Schleiers verlangt, was im Orient überhaupt üblich war, im Abendland aber zu einem Merkmal des Montanismus wurde (Tert., De orat. c. 21Ff; De virg. velandis c. 3). Auch in anderen Fragen (Putz, Malerei, Schauspiele, Kriegsdienst) urteilte der Montanismus bei seiner schroffen Weltflucht strenger als die katholischen Schriftsteller.

Schon früh hatte der Montanismus im Morgen- und Abendland zahlreiche Anhänger gefunden. Etwa um 200 gab es Montanisten in Rom, wo Prok(u)us und Äschines Führer waren. Hier kam es bald zu einer Spaltung: die Proklianer hielten am Personenunterschied von Vater und Sohn fest, während die Anhänger des Äschines den Monarchianismus annahmen. 202 schloß sich Tertullian ihnen an, der die Sekte in Afrika organisierte. Syrien, Ägypten und Gallien hatten um diese Zeit montanistischen Gemeinden, welche die Botschaft aus Pepuza und Tymium ebenso gläubig aufnahmen, als käme sie aus Nazareth oder Jerusalem…

Trotz der kirchlichen Verbote und stattlicher Gegenmaßregeln erhielt sich der Montanismus lange Zeit. Die Trullanische Synode 692 (c. 25) führte die Sekte noch unter den Häretikern auf, und eine Bestimmung Leos des Isauriers v. 722 zeigt, daß sie damals noch nicht ganz verschwunden war. –

Kirchliche Bekämpfer der Sekte waren Apollinaris v. Hierapolis, Miltiades, Serapion v. Antiochien, Apollonius v. Ephesus, Albercius Marcellus u.a. Rom verhielt sich anfangs ablehnend. Papst Zephyrin aber schickte ihnen Friedensbriefe, die er, durch Praxeas (Tert., Adv. Prax. c. 1) aufgeklärt, noch aufhalten konnte. Die kirchlichen Bestreiter nahmen den meisten Anstoß an der im Zustand der Bewusstlosigkeit und Wildheit erfolgten Prophetie und am Lehramt der Frauen. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 295 – SP. 296

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