Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Manichäismus

Mani (bei den Griechen: Manes; im Abendland: Manichäus), Begründer des Manichäismus, einer gnostischen Weltanschauung und Lebenslehre, die an Bedeutung und Verbreitung zeitweilig fast einer Weltreligion gleich kam, * um 216 n. Chr. Bei Seleucia-Ktesiphon aus parthischem Hochadel, †275 oder 276 in Belapat oder Gundeschapur (persien). Manis Leben ist größtenteils nur legendarisch bekannt. Wie berichtet wird, trat er um 240 in der Sassaniden-Hauptstadt Seleucia-Ktesiphon mit dem Anspruch auf, gottgesandter Überbringer einer Offenbarung zu sein, durch die Zoroasters und der übrigen „Propheten“ (Moses, Jesus) Botschaft nicht bloß verbessert, sondern auch vollendet, ja ersetzt werden solle. Dann reiste er nach „Indien“ und gründete dort eine Gemeinde. Nach Schapurs I. Thronbesteigung kehrte er nach Persien zurück und predigte weiter. Schapur I. Habe ihn anfangs begünstigt, dann abgelehnt. Unter seinem 2. Nachfolger Bahrâm I. Sei Mani gekreuzigt und seine Anhänger seien vertrieben worden. Mani hinterließ viele Schriften, von denen aber bis jetzt nur verhältnismäßig wenige sicher bekannt sind. Die 1904/05 in Zentralasien gefundenen angeblichen Bruchstücke aus Schriften Manis (Turfan-Fragmente) stammen nur zum kleinsten Teil von Mani selber; im übrigen sind sie verfaßt von Anhängern seiner dortigen Gemeinden… Für die Kenntnis seiner Lehre sind wir namentlich auch auf die Schriften seiner zoroastrischen, christlichen (Aphraates, Ephräm der Syrer, Titus v. Bostra, Serapion v. Thuuis, Augustinus v. Hippo, der selbst eine Zeit lang Manichäer war), islamischen und chinesischen Gegner angewiesen.

Seine Lehre ist keine Offenbarung, sondern eine von Mani selbst erdachte Weltanschauung und Lebenslehre mit dem Ziel: Erlösung vom Übel des Daseins. Nach Mani erreicht derjenige dieses Ziel, der die Welt, besonders das Böse in ihr, und das Wesen des Menschen, besonders das Verhältnis von Leib-Seele-Geist im Menschen, richtig versteht und danach lebt. Erlösung ist also für Mani Selbsterlösung durch Wissen (Gnostizismus) und entsprechendes Leben; im tiefsten Gegensatz zum Christentum sieht Mani von Schuld und Reue ab. Die Welt wird in 2 ursprünglich absolut geschiedene Teile, die göttliche Welt des Lichtes (des Guten) und die teuflische Welt der Finsternis (des Bösen) zerlegt (Dualismus). Im Verlauf der Entstehung der einzelnen Teile (Erde, Mensch) der Finsternis-Welt kam es zu einer Vermischung von Elementen der beiden Welten (kosmologischer Mythus). Sehnsucht aller Menschen und Aufgabe aller „Propheten“ vor Mani sei es gewesen, diese Teile wieder zu entmischen (anthropologischer und christlicher Mythus; Christus, ein himmlischer Äon, sei hierzu in einem Scheinleib auf Erden gekommen, habe jedoch noch nicht die volle Wahrheit verkündet). Mani will das allein richtige Mittel hierzu gefunden haben: die Erkenntnis dieses Dualismus und die entsprechende Ethik: die Beobachtung der 3 Siegel des Busens, des Mundes, der Hände, d. h. Enthaltung von allem, was zur Finsternis-Welt gehört (Ehe, Fleischgenuss, Erdenarbeit). Das Ende dieses Erlöungskampfes, an dem auch Christus als Lichtsammler mitwirkt, werde die Wiedervereinigung der „Auserwählten“ mit dem Lichtreich und die ewige Erstarrung des Finsternis-Reiches mit allen Bösen sein (eschatologischer Mythus). Mani sah ein, daß solch strenge Ethik nur wenigen, den „Vollkommenen“, möglich ist; deshalb schrieb er für die gutwilligen „Unvollkommenen“, die „Hörer“, nur das Halten des Dekalogs vor und verkündete ihnen eine stufenmäßige Läuterung nach dem Tode durch Wiederverkörperungen. Der Kultus besteht nach Mani wesentlich nur im Beten und Fasten (nicht in Sakramenten). Hauptfest war das Bema (= Aufstieg), d. i. das Gedächtnis von Mani`s Martertod und Aufstieg in das Lichtreich. Die hl. Schriften der Juden und Christen wertet Mani wie Marcion.

Die Ausbreitung des Manichäismus erfolgte mit erstaunlicher Raschheit und erfaßte nahezu alle Länder der Christenheit. Dies erklärt sich aus dessen Synkretismus, der zoroastrische, hellenistische und christliche Elemente enthält. Von Diokletian (Edikt gegen die Manichäer 296) und den christlichen Kaisern West- und Ostroms sowie von den persischen Herrschern verboten und verfolgt, flohen seine Anhänger nach Turkestan und China, wurden aber auch da durch Verbote getroffen. In Persien zeitweilig wieder geduldet, dann von neuem bedrückt, erlosch der Manichäismus in Mittel- und Ostasien im 13./14. Jahrhundert, in Vorderasien und auf dem Balkan (neu-manichäische Sekten der Bogumilen, Paulizianer) im 13. Jahrhundert, im Abendland mit den Katharern. In der Mystik des Islam sind manche Gedanken Mani`s erhalten. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VI, 1934, S. 850 – S. 851

Tags: Sekten
Buch mit Kruzifix
Marcion
Buch mit Kruzifix
Pange lingua

Weitere Lexikon-Einträge

Buch mit Kruzifix

Archelaus

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Archelaus Archelaus, Sohn Herodes’ des Großen, hatte mit seinem Bruder Antipas eine Samariterin Namens Malthace zur Mutter und war gleich diesem seinem Bruder in Rom erzogen worden (Jos. Antt. 17, 1, 3; 10, 1).…
Buch mit Kruzifix

Honoratus

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Honoratus Honoratus, hl., Bischof von Amiens, nach der unzuverlässigen, im 11. Jahrhundert verfaßten Vita (Acta SS Maii III (1680) 612ff) Zeitgenosse des Papstes Pelagius II (578-590) und Childeberts II (575-596), erhob die von Lupicinus…
Buch mit Kruzifix

Naturgesetz

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Naturgesetz Naturgesetz, moralisches oder das natürliche Sittengesetz (lex moralis naturalis) bedeutet objektiv die Summe jener sittlichen Gesetze, die Gott jedem Menschen in und mit seiner Natur als wesentlicher Bestandteil seiner Ausrüstung für seine ewige…
Buch mit Kruzifix

Arnold von Brescia

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Arnold von Brescia Arnold von Brescia, * wohl Ende des 11. Jahrhunderts, † 1155. Studierte in Paris bei Abaelard und wurde in Brescia Priester und Augustiner-Chorherr. Ein eigenwilliger, zum Extremen geneigter Kopf, strengster Aszese…
Buch mit Kruzifix

Wiclif

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Wiclif Wiclif (Wyclif), John v., der bedeutendste der sog. Vorläufer der Reformation, *um 1320 (1324?) zu Wicliffe oder Spreswell (Grafschaft Yorck) aus alt-sächsischem Adel, †13.12.1384 zu Lutterworth; studierte seit 1344/45 an der Universität Oxford…

Weitere Lexikon-Beiträge

Buch mit Kruzifix

Kain

Heilige Schrift AT
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Kain Kain (vielleicht = Schmied oder Gebilde, Genesis 1 zusammen gestellt mit qānāh =  hervorbringen), erstgeborener Sohn Adams, bebaut das Feld, wird aus Neid, da Jahve Abels Opfer bevorzugt, zum Brudermörder. Gegen alle Gnadeneinsprüche trotzig und verstockt, dann verzweifelt, trifft ihn Gottes Fluch, so daß er als Nomade umher…
Buch mit Kruzifix

Menander

Gnostiker
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Menander Menander (Menandros), gnostischer Sektenstifter, *zu Kapparetäa in Samarien, Schüler Simons des Magiers, von dem er jedoch in der Auffassung von der Erlösung (Unsterblichmachung durch die ihm eigene Taufe) und in der Ablehnung des Libertinismus abwich. Er wirkte in Antiochia; seine kleine Sekte erhielt sich bis ins 6. Jahrhundert.…
Buch mit Kruzifix

Wiedertäufer

Irrlehrer und Irrlehren
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Wiedertäufer Wiedertäufer (Anabaptisten), Bezeichnung für das weit verzweigte Sektentum der Täuferbewegung. Diese entstand zur Zeit der Glaubensspaltung infolge der durch den Protestantismus angeregten allgemeinen und ungeregelten Bibellektüre, die unter den Einflüssen von Erasmus, Zwingli, Oecolampadius in dem theologisch ungebildeten, sozial und wirtschaftlich bedrückten Kleinbürger– und Handwerkerstand das enthusiastische Streben…
Buch mit Kruzifix

Böhmische Brüder

Irrlehrer und Irrlehren
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Böhmische Brüder Böhmische Brüder (Brüderunität, Jednota bratrská, unitas fratrum), christliche Gemeinschaft, durch Abspaltung von den husitischen Utraquisten begründet, auch Mährische Brüder genannt, da sie nach 1575 ihren Hauptsitz in Mähren hatten. 1) Geschichte. In Nacheiferung der Kirchen-Verfassung und Kirchen-Zucht der apostolischen Zeiten schlossen sich um 1457 zu Kunwald bei…
Buch mit Kruzifix

Nikolaiten

Gnostiker
Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Nikolaiten Nikolaiten heißen 1. im Neuen Testament Sektierer, welcher schon zu apostolischer Zeit Unheil in der Kirche anrichteten. Daß dieses Uneil sehr groß gewesen, kann aus Offenbarung 2, 6 geschlossen werden. Deutlicher wird die Art desselben Apok. 2, 15 dahin angegeben, daß die Nikolaiten in die Fußstapfen Balaams eintraten,…
Buch mit Kruzifix

Novatian

Lexikon für Theologie und Kirche Stichwort: Novatian Novatianer (Novatiani oder Novatianenses), Sekte aus der Mitte des 3. Jahrhunderts, empfing Namen und Ursprung von Novatian (der von Eusebius und den späteren Lateinern überlieferte Namen „Novatus“ ist falsch). Trotz seiner klinischen Taufe (Eusebius, HE VI 43) gewann Novatian dank seiner philosophischen Durchbildung (Kenntnis besonders der Stoiker: Cyprian,…
Consent Management Platform von Real Cookie Banner