Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Volk
Volk ist innere Vergemeinschaftung auf der Grundlage gemeinsamer geistiger (kultureller, geschichtlicher, religiöser) und rassischer Werte. Volkstum heißt die geistig-seelische Gestalt eines Volkes, die sich in Sprache, Sitte und Brauch, Dichtung und Märchenerzählung, Bild- und Bauwerk usw. ausprägt. Die Auffächerung der Menschheit in Völker liegt im Zuge natürlicher Entfaltung. Volk ist das vereinigte Ergebnis ursprünglicher Schöpfung, schicksalhafter Prägung und eigen- oder fremdwilliger Formung.
Jedes Volk soll seine arteigenen Werte zum Blühen und Reifen bringen, dadurch zur Erfüllung des reichen, vielgestaltigen Schöpfungsplanes beitragend. Solange es diesem Ziel zustrebt, hat es einen unbestreitbaren Anspruch auf Ehre, auf Anerkennung und Eigengestaltung als Volk, auf entsprechenden Siedlungsraum und die notwendigen Wirtschaftsgüter, auf Gleichberechtigung unter den Volkstümern.
Als Ballung menschlicher Gegebenheiten nimmt das Volk an allen Vorzügen und an allen Unzulänglichkeiten des Menschlichen teil. Der weltlichen und geistlichen Führung obliegt es, die positiven Werte des Volkes zu wahren, von Generation zu Generation zu fördern, alles Schädigende auszuschalten und zu beseitigen. –
Die Gefahr der Gegensätzlichkeit und Feindschaft
Je kräftiger ein Volk sein Eigenwachstum pflegt, umso schärfer setzt es sich von jedem andern ab. Diese Ausprägung schließt den Keim und die Gefahr zur Gegensätzlichkeit ein, die bisweilen offene Feindschaft erzeugt. Hier ist zu betonen, dass die Völkerscheide keinen Riss bis ins Letzte bedeutete, dass vielmehr wesentliche Gemeinsamkeiten bleiben. Vor allem bleibt im Mittelpunkt der Völker der ewige Gott als Schöpfer und Vater aller, der die Menschheitsfamilie bindet an die eine Ordnung der sittlichen Verpflichtung und ihr ein und dasselbe überirdische Endziel ohne Unterschied der Völker gesteckt hat.
Christus ist der Erlöser für alle. Aber diese Gleichheit hebt die Ungleichheit der Völker hinsichtlich ihrer natürlichen Begabung und Leistung ebenso wenig auf, wie die „gesetzliche Gleichheit“ die sozialen Stufungen leugnet. –
Das Volk ist Träger der Gottesverehrung
Die Bibel erblickt in den Völkern vorzügliche Träger der Gottesverehrung (Ps. 65, 8; 116, 1). Christus ist die „Erwartung der Völker“ (Gn. 49, 10). Bei Mt. 28, 19 heißt es: „Lehret alle Völker.“ Das erste Pfingstfest bejaht durch das Sprachenwunder die Mannigfaltigkeit der Völker; es will sie durch das Mittel der Muttersprache zu Christus führen, wodurch angedeutet ist, dass sich das Christentum mit der Eigenart eines jeden Volkes verschmelzen soll.
Die Vermählung von Volkstum und Evangelium zur Verwirklichung eines lebendigen Christentums ist von beiden Seiten gebend und empfangend. Die Volksart verleiht der Frömmigkeit den naturhaften Grundton. Von deutscher Frömmigkeit zu sprechen, hat seinen guten Sinn. Das volkhafte Brauchtum spielt ins religiöse Leben hinein. Besonders die Hochfeste des Kirchenjahres sind vom deutschen Volksbrauch her sehr bereichert worden. Die geistigen Formkräfte des Volkes dienen auch der religiösen Idee.
Deutsche Frömmigkeit
Ohne künstlerische Veranlagung lassen sich keine Dome bauen, füllen sich die Kirchen nicht mit hervorragenden Bildwerken und erschallt nicht Gottes Lob in den Meisterschöpfungen der Tonkunst. Hin wieder hat das Evangelium die erfahrbare Welt um neue Wirklichkeiten erweitert, wodurch der Gestaltungswille, der das Unsichtbare durch Wort und Bild zu verkörpern trachtet, vor hohe Aufgaben gestellt wird.
Die Lehre Christi schärft den Blick für die Rangordnung der Werte, weist die ewigen Beziehungen zwischen Schöpfer und Volk auf, lässt die im Volk überlieferten Elemente der Uroffenbarung sichtbar werden, brandmarkt allen Abfall von Gott und von der objektiven sittlichen Norm als auf die Dauer volkstumszerstörend, bindet vor allem die Einzelglieder des Volkes zu einer Gemeinschaft nach den christlichen Grundsätzen von Gerechtigkeit und Nächstenliebe.
Wo der Geist des Evangeliums herrscht, empfängt das Volksleben eine höhere Weihe, die zutiefst in der Ausrichtung auf das übernatürlich-ewige Endziel begründet ist, und die sich u.a. in der Feier der Sonn- und Festtage, in der Heiligung wichtiger Ereignisse (z. B. Geburt, Heirat, Tod) sowie in der Verknüpfung des Tages- und Jahreswerks mit Gott offenbart. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. X, 1938, Sp. 670 – Sp. 671
Volk, Wilhelm Gustav (Pseudonym Ludwig Clarus)), * 25.1.1804 zu Halberstadt, † 17.3.1869 zu Erfurt; studierte Rechte, Literatur und Philosophie in Göttingen und Berlin, 1838 bis 1858 Regierungsrat in Erfurt, kam 1836 in München mit dem Görreskreis in Verbindung und war längst ein warmer Verteidiger der katholischen Kirche, ehe er, auch beeinflusst von Ketteler, mit seiner Gattin, einer Pastorentochter, 18.10.1855 konvertierte. (ebd.)